Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
sind.“
Er richtete sich ein wenig auf, als wolle er sich nicht ganz aus Bills Umarmung lösen. „Dahlia sagt, es seien Leichenfledderer. Aber hm – der Souleater nennt sie anders. Er behauptet, sie seien besser. Anders, weil sie mit seinem Blut angefangen haben. Aber wir haben sie auch gefüttert. Sie haben etwas von uns beiden bekommen.“
„Was haben sie bekommen?“ Bills Stimme war leise und beruhigend. Ich weiß ja nicht, was es mit Ziggy anstellte, aber ich fühlte mich wohl, wenn ich sie hörte.
„Von Dahlia … haben sie ihre Macht bekommen.“ Ziggy schniefte mannhaft und setzte sich auf. „Ich habe keine Ahnung, was sie von mir bekommen könnten. Vielleicht meine Körperkraft? Er sagte, ich hätte mehr Kraft als irgendein Zögling, den er jemals verwandelt hat. Ich nehme an, er meinte das als Kompliment.“
Automatisch zwirbelte ich den Saum meines T-Shirts mit meinen Fingern. „Mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Meinst du, dass Nathan noch am Leben ist? Glaubst du, dass wir noch Zeit haben?“
Ziggy zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, dass er mit Nathan etwas vorhat. Aber ich glaube kaum, dass er ihn töten wird. Nathan ist auf alle Fälle beim Souleater, so viel steht fest.“
Ich stand auf und lief bis zur Tür und wieder zurück. „Wir holen ihn. Morgen Nacht.“
„Warum nicht jetzt?“ In Bills Stimme lag jetzt wiederRastlosigkeit. „Wir wissen ja jetzt, bei wem er ist. Los, holen wir ihn.“
„Und lassen uns umbringen.“ Ziggys Lachen klang hoffnungslos. „Er hat Dutzende von diesen Wesen. Ich meine, es sind mindestens hundert oder so.“
„Einhundert Dutzend?“ Ich spürte, wie meine Knie nachgaben.
Ziggy machte eine abwehrende Handbewegung. „Nein. Nein. Insgesamt. Ich meinte insgesamt vielleicht hundert. Vielleicht auch mehr. Ich habe mir nie die Mühe gemacht nachzuzählen.“
„Wie kann man sie töten?“, fragte Max.
Ich war froh, dass er unseren Aktivismus auf ein konstruktives Ziel lenken konnte.
Ziggy runzelte die Stirn. „Keine Ahnung. Vielleicht kann man sie gar nicht töten. Wir haben es nie zuvor versucht.“
„Sie hatten viel Kraft“, stellte ich fest. Wieder schlich sich meine alte dumme Zuversicht in meine Worte, musste ich mir eingestehen. „Aber sie sind nach wie vor menschliche Wesen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie so wie alle anderen sind: Man zerstört ihr Herz, verbrennt es, schneidet ihnen den Kopf ab … und schon stellen sie für uns kein Hindernis mehr dar.“
„Kopf abhacken, habe ich.“ Max streckte sich und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. „Das wird aber gefährlich.“
„Das wäre ja nicht das erste Mal“, gab ich zurück und spürte plötzlich das Gewicht des ganzen letzten Jahres auf meinen Schultern. „Und es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein.“
„Das sollte es aber!“ Max ging schnell ein paar Schritte, hielt dann inne und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. „Das ist lächerlich! Ich stand doch da, genau da, und ich habe sie nicht aufhalten können!“
„Das war doch nicht deine Schuld …“, setzte ich an.
Bill unterbrach mich. „Ich war doch auch dort. Gibst du mir etwa die Schuld?“
„Nein, natürlich nicht!“
„Und dir gebe ich auch nicht die Schuld“, unterbrach ich Max. „Weder dir noch Bill noch Ziggy. Niemanden trifft die Schuld. Aber Nathan wurde gekidnappt und jetzt müssen wir ihn zurückholen.“
Als in diesem Moment Bill so aussah, als wollte er uns allen nicht glauben, wurde mir etwas klar. Es war ein bisschen albern, aber es lenkte vollkommen von dem Ernst der Situation ab. Aber es musste sein, deshalb sagte ich: „Bill, ich glaube, sie halten dich für einen von uns.“
„Fantastisch“, grummelte Bill und musste widerwillig lächeln. „Hey, hört mal, ich bin so etwas nicht gewöhnt.“
„Ich auch nicht.“ Ziggy nickte zustimmend. „Aber sie kennt die Situation, und Max auch. Also machen wir am besten, was sie sagen.“
„Okay Leute, ihr sammelt die Waffen zusammen, alles, was ihr braucht.“ Nervös sah ich auf die Uhr und verfluchte die kurzen Sommernächte. „Ich schaue mal, was ich aus Dahlias Buch herausziehen kann.“
Als alle dabei waren, sich vorzubereiten, schloss ich mich im Schlafzimmer ein. In der Vergangenheit hätte ich angesichts der schrecklichen Gefahr, der wir alle ausgesetzt waren, über meine Machtlosigkeit geheult, oder ich hätte mir wenigstens Sorgen gemacht über das furchtbare Schicksal, das Nathan ereilt hatte. Aber
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