Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
nehmen, um überleben zu können. Angst vor Ablehnung.
Wow. Ziggy nahm seine eigenen Gedanken noch genauer unter die Lupe und ging dem letzten noch einmal eingehender nach. Das war kein Wunschdenken. Diese Ideen gab es wirklich, dort, in Bills Kopf, und dank der Blutsbande hatte er Zugang zu ihnen. Bill hatte Angst, dass die Beziehung, die er sich zu Ziggy wünschte, viel zu festgelegt war, und dass diese Tatsache einen oder beide so irritieren würde, dass die ganze Geschichte schneller als gedacht vorbei war, und zwar mit einem denkbar unschönen Ende. Er wollte weiterflirten, noch eine Weile die Leichtigkeit erhalten, und sich dann Stück für Stück in ihn verlieben und eine Verbundenheit entwickeln, die beiden etwas bedeutete. Aber diese Chance war vorbei, weil es zwischen ihnen jetzt eine künstliche Verbindung gab, die er nicht wollte.
Ziggy schloss die Augen, zwickte sich in die Nasenwurzel und versuchte nachzudenken, ohne dass Bill es mitbekam. Das würde ein ziemliches Desaster geben. Aber alles, was er versuchte zu verheimlichen, würde früher oder später auffliegen. Er hatte reichlich Erfahrung damit, seine Gedanken vor seinem Schöpfer zu verbergen, aber keinerlei mit einem Zögling. Das war so gut wie unmöglich. Es tat ihm weh, nur darüber nachzudenken, sich von Bill abzuschotten.
„Hör mal“, sagte er, ohne sich die Mühe zu machen,ins Wohnzimmer zu gehen, denn er wusste ja, dass Bill ihn hören konnte. „Was mich angeht … diese ganze Schöpfer-Zögling-Geschichte? Es ist einfach passiert. Ich erwarte nichts von dir. Wir können dort weitermachen, wo wir aufgehört haben. Das wäre mir übrigens am liebsten. Weil ich ausflippe, wenn ich darüber nachdenke, dass ich an dich gebunden bin, solange ich lebe.“ Er holte tief Luft. „Dass du mein Herz hast, falls das alles nicht funktioniert.“
Als er Bills schwere Schritte hörte, ging er zur Tür, und das Gefühl, sich verteidigen zu müssen, überkam ihn wie eine riesige Welle durch die Blutsbande, sobald er vor ihm stand. „Siehst du, genau darum geht es. Du sagst so etwas einfach, und was mache ich damit? Was ist, wenn ich dir sage, dass ich das anders sehe? Du bist total gestört und verletzt, und ich muss jetzt mit alldem klarkommen, weil zufällig du es warst, der mich zum Vampir gemacht hat.“
„Ich wäre gar nicht verletzt und so. Ich rede nicht über mein romantisches Herz oder über Liebe. Ich meine mein richtiges, physisches Herz.“ Ziggy sah zu Boden, weil er Bills ungläubigen Blick nicht ertragen konnte. „Deines war ruiniert. Carrie hat dir meines gegeben.“
„Du hast dein …“ Bill stolperte davon, und Ziggy folgte ihm mit einigen Schritten Abstand. Als Bill sich auf die Couch setzte, blieb Ziggy an der Seite stehen. Eigentlich wollte er sich neben ihn setzen, seinen Kopf an seine Schulter lehnen und ihn küssen. Er wollte etwas tun, um das Gefühl zurückzuholen, das er vor einigen Stunden noch hatte, als sie auf einem Stapel Wolldecken im Lagerraum beieinander gelegen hatten, nicht sprachen, sich berührten und es genossen, wie neu sich alles anfühlte. Es stank zum Himmel, dass das jetzt alles vorbei sein sollte, und in seiner Brust breitete sich dort ein Schmerz aus, wo eigentlich sein Herz hätte schlagen sollen.
Bill schaute ihn mit rotgeränderten Augen an. „Ich kann nicht glauben, dass du das für mich getan hast.“
„Na, ich habe es ja auch nicht getan. Carrie hat es gemacht.“ Verdammt, er hätte gern herausgefunden, wo sich dieser kleine eingeschüchterte Ziggy herumdrückte, der seinen Zögling anblaffte, um ihm seinen Scheißhals umzudrehen. „Ich meine … ich konnte dich doch nicht sterben lassen.“
„Aber dein Herz … Ich meine, wenn mir etwas passiert, dann heißt das, dass du auch stirbst?“ Bill sagte das in einem Ton, als sei es schier unglaublich, dass jemand so etwas für ihn tun würde.
Bill hörte sich an, das wurde Ziggy jetzt klar, genau wie er selbst.
Nachdem er sich neben ihn gesetzt hatte, berührte er vorsichtig Bills Gesicht. „Ich habe das ja nicht gemacht, um dich in eine Falle zu locken oder so. Aber ich habe dich angesehen, wie du hier so lagst und fast gestorben wärest. Und vielleicht war das auch ein bisschen egoistisch, aber ich konnte dich nicht sterben lassen und nie herausfinden, ob …“ Er riss sich zusammen, bevor er etwas richtig Blödes tat, wie etwa anfangen zu weinen. Aber er musste sich zwingen, die nächsten Worte zu sagen, weil sie ihm sonst
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