Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
zuzufügen.»
«Einer bleibt aber noch übrig. Sie selbst. Gibt’s da auch Impressionen?»
«Das ist unfair. Fragen Sie Katharina oder Susanne oder sonst wen.»
«Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie Neid auf die anderen empfinden oder sogar Zorn?»
«Neid, Zorn, Wut, Abscheu, Unverständnis, Liebe. Alles, was Sie wollen», antwortete Hubertus heftig. «Aber deshalb würde ich nicht jemanden umbringen. Verzweiflung über versäumtes Leben, so könnte man es zusammenfassen! Noch was?»
Sie schüttelte den Kopf.
L aura stand unter der Dusche und dachte nach. Noch war Berger nicht gefunden. Er konnte auf einem Hügel sitzen und übers Land schauen, die Aufregung genießen, die sein Verschwinden verursachte. Er würde wissen, dass alle wie verrückt nach ihm suchten. Würde wissen, dass er Panik auslöste. Strafe für Katharina und die anderen, die ihn nicht so liebten, wie er es brauchte?
Doch er konnte auch tot sein. War er in der Lage, sich selbst umzubringen? Laura zweifelte daran. Aber wer hatte ein Motiv, ihn umzubringen?
Vermutlich seine Ehefrau, dachte Laura, drehte das Wasser ab, wickelte sich in ein großes Badetuch, rannte auf bloßen Füßen zurück in ihr Zimmer und griff nach dem Telefon. Es klingelte zwei-, drei-, viermal.
Wo ist er denn?, dachte sie ungeduldig.
Endlich meldete sich Peter Baumann. «Das ist ja ’ne Überraschung! Ich hab schon gedacht, dass du das nächste Opfer der Psychogruppe bist!»
«Bitte mach jetzt keine Scherze. Ich muss unbedingt wissen, ob du die Ehefrau von Rolf Berger schon vernommen hast!»
«Na, deshalb hab ich ja schon mindestens viermal auf deine Mailbox gesprochen. Aber du legst ja keinen Wert auf Zusammenarbeit mit deinem Dezernat! Übrigens, Warnung: Der Chef hat heute Morgen auch versucht, dich zu erreichen! Er ist stinksauer!»
«Es tut mir Leid, Peter. Hier geht alles drunter und drüber. Letzte Nacht sind ein paar Leute völlig ausgeflippt, und jetzt ist Berger verschwunden. Die Carabinieri haben Suchtrupps zusammengestellt. Ich konnte mich einfach nicht melden! Und ich hab auch jetzt nicht viel Zeit.» Laura übertrieb ohne einen Funken schlechten Gewissens.
«Na ja, das musst du dem Chef selbst erklären. Hier in Kürze die letzten Entwicklungen: Bergers Ehefrau sitzt in Untersuchungshaft. Sie ist bei der Befragung ganz schnell zusammengeklappt und hat zugegeben, dass sie Iris Keller in die Isar gestoßen hat. Aber sie sagte auch, dass sie es eigentlich nicht wollte. Es ist bei einem Streit passiert, die beiden Frauen sind offensichtlich tätlich geworden. Die Berger hat uns ein paar halb vernarbte Kratzer gezeigt, die sie selbst abbekommen hat. Angeblich hat sie sich gegen die Angriffe der anderen gewehrt und sie zurückgestoßen, und dabei muss Iris Keller über das Geländer gefallen sein. Die Berger sagte, dass sie danach in Panik weggelaufen sei und gehofft habe, dass die andere allein aus dem Wasser finden würde.»
Laura klemmte das Handy zwischen Schulter und Wange, angelte nach ihrer Unterwäsche und versuchte sich anzuziehen.
«Klingt ziemlich abenteuerlich, was?», murmelte sie angestrengt.
«Bist du noch da? Was machst du denn, zum Teufel?»
«Ich? Nichts. Glaubst du die Geschichte?»
«Ich glaube gar nichts. Aber es gibt keine Zeugen, und die Keller ist tot.»
«Dann war Bergers Frau überhaupt nicht im Urlaub!»
«Nein!»
«Reicht das nicht als Beweis, dass sie den Mord an Iris Keller geplant hat?» Laura zog ihr Unterhemd über den Kopf und legte deshalb den Hörer eine Sekunde lang aufs Bett.
«He, ich glaube, wir wurden irgendwie unterbrochen. Kannst du mich wieder hören? Ich hab deine Antwort nicht verstanden!»
«Laura! Du machst irgendwas! Das war keine Unterbrechung!»
«Doch! Also, was hast du gesagt?»
«Ich habe gesagt, dass es noch kein Beweis ist. Frau Berger hatte die Reise gebucht, aber nicht angetreten, weil sie ihrem Mann in die Toskana nachfahren wollte. Sie wollte ihn in flagranti ertappen.»
«Und ist sie ihm nachgereist?» Laura unterbrach ihre akrobatischen Ankleideversuche.
«Nein. Nachdem Iris Keller in die Isar gefallen war, hat sie der Mut verlassen.»
«Ist das durch Zeugen belegt?»
«Ja, durch mehrere!»
«Mist!»
«Was?»
«Mist, habe ich gesagt! Wir brauchen hier eigentlich dringend den großen Unbekannten, der in den Wäldern auf Mitglieder dieser Psychogruppe lauert. Wir kommen nicht richtig weiter.»
«Liegt das vielleicht an dem Commissario mit dem interessanten Namen? Ich sag dir
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