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Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall

Titel: Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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über sich selbst. Was mich interessiert, sind Ihre Eindrücke von den anderen.»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Die sind nur vage. Ich war noch nie so nahe mit anderen Menschen zusammen. Vor allem mit Frauen. Ich bin erschüttert über das Leid. Über die innere Verzweiflung, die ich bei allen gespürt habe.»
    «Bei allen?»
    «Ja, bei allen», sagte er langsam. «Sogar bei Katharina. Ich glaube nicht, dass sie eine sehr glückliche Frau ist. Sie hat glückliche Momente, dann sieht sie plötzlich wie ein junges Mädchen aus, bekommt ein strahlendes Lächeln, ganz klare Augen … es ist wie ein Aufblühen. Aber dann verfällt sie wieder und verwandelt sich in eine alte Frau. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der sich in kurzer Zeit so stark verändern kann.»
    Erneut entfesselte Pucci ein wahnwitziges Konzert aus Rauschen, Pfeifen und Quäken. Laura runzelte die Stirn.
    «Ist das nötig?», fragte sie ungeduldig.
    «Wenn ich mit den Suchtrupps Kontakt halten will, dann ist es sogar sehr nötig!» Pucci war beleidigt.
    Laura zuckte die Achseln und wandte sich wieder Hubertus zu.
    «Diese Beschreibung war außerordentlich genau und interessant. Könnten Sie mir vielleicht auch Ihre Eindrücke von Carolin Wolf, Rosa Perl und Rolf Berger verraten?»
    Hohenstein wiegte den Kopf.
    «Ich komme mir schlecht dabei vor», murmelte er. «Wie ein Verräter … Sehen Sie, eine Gruppe wie diese ist eine Familie auf Zeit. Man muss zusammenhalten.»
    Laura nickte.
    «Ja, natürlich. Das verstehe ich. Aber wenn in einer Familie ein Mord geschieht, dann müssen die Mitglieder auch aussagen. Es gibt natürlich Familien, die den Täter verstecken und decken. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich eine Lösung ist … Ich verlange von Ihnen nicht, dass Sie jemanden verdächtigen. Ich wünsche mir nur ein paar Sätze, die ich meinen eigenen Beobachtungen hinzufügen kann.»
    Hubertus seufzte schwer.
    «Impressionen. Gut, Sie bekommen Impressionen. Ganz subjektiv. Carolin hat mir Angst gemacht. Sie brannte. Ich konnte ihr nichts entgegensetzen. Einmal hat Katharina uns beide in der Mitte des Kreises arbeiten lassen. Es war … sie hatte einen Blick, der mich völlig hilflos machte. Provozierend, ohne Respekt … ich fühlte mich nackt vor ihr.» Er betrachtete verlegen seine Füße, die, ebenfalls nackt, in braunen Ledersandalen steckten.
    «Interessant!», sagte Laura. «Und Rosa Perl?»
    «Eine verlorene Seele. Ich empfinde Mitleid mit ihr, weil sie so schreckliche Angst hat. Aber daneben erscheint sie mir auch rücksichtslos. Sie ist schwach, vielleicht sogar dem Tode nahe und greift nach dem Leben wie eine Ertrinkende. Ich hatte immer ein Gefühl, als verletze sie sich selbst, wie jemand, der freiwillig über glühende Kohlen läuft. Eigentlich hat auch sie mir Angst gemacht, wenn ich jetzt darüber nachdenke …»
    «Und Rolf Berger?»
    «In unserem gemeinsamen Zimmer habe ich manchmal länger mit ihm gesprochen. Aber ich habe ihn nicht wirklich verstanden. Er ist, wie soll ich es ausdrücken … irgendetwas stimmt mit seinen Gefühlen nicht. Er ist unerträglich sentimental … das ist vielleicht zu hart ausgedrückt!» Der Priester sah erschrocken aus. «Ich wollte eigentlich nur sagen, dass er ohne wirklichen Anlass zu weinen beginnt. Wenn er die Sterne sieht oder bei Sonnenaufgang. Nicht wie jemand, der tiefe Liebe zur Welt empfindet, sondern wie jemand, der … die Welt benutzt, um zu zeigen, wie tief er empfinden kann. Es klingt umständlich, aber ich kann keine anderen Worte dafür finden. Er hat mich umarmt, als ich der Gruppe gesagt habe, dass ich Priester bin. Mit Tränen in den Augen hat er mich umarmt, als wir allein im Zimmer waren. Es hat mich angeekelt. Mir kam es vor, als hätte er mir einen wichtigen Teil meiner selbst weggenommen und für sich benutzt … Wahrscheinlich werden Sie mein krauses Gerede nicht verstehen, aber ich kann es nicht anders beschreiben.»
    Laura schüttelte den Kopf.
    «Es ist nichts Krauses an Ihrer Beschreibung. Im Gegenteil! Haben Sie schon einmal in Erwägung gezogen, dass Sie vielleicht Ihren Beruf verfehlt haben? Dass Sie besser Schriftsteller oder Therapeut geworden wären?»
    Hubertus lächelte.
    «Ich bin gerade dabei, einen neuen Weg zu suchen. Das hier ist ein Anfang. Aber ich wäre schon ganz zufrieden, wenn ich einfach ein Mann sein könnte. Alles andere kommt später.» Er wurde ein bisschen rot.
    «Danke für Ihre Offenheit. Sie werden mich für aufdringlich

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