Nacht der Stachelschweine: Laura Gottbergs erster Fall
zeigte sein Apparat ihre Nummer an. Sie würde sich nie an die Geschwindigkeit und Indiskretion der neuen Techniken gewöhnen.
«Ja, da bin ich endlich», sagte sie stattdessen.
«Wo bist du?»
«Na hier! In deinem Telefon und außerdem in einem kargen Zimmer, in einem Kloster, auf einem Hügel in der südlichen Toskana. Ich bin allein, habe gerade geduscht und versuche die ersten Verhöre zu verdauen.»
«Kommst du weiter?»
«So kann man es nicht gerade nennen. Ich sondiere die Lage.»
«Kein schlechter Platz, um so was zu machen.»
«Na ja, für dich wär es nichts, mein Lieber. Keine Kneipen, nur viel Landschaft und seltsame Leute.»
«Und dein italienischer Kavalier?»
«Den hab ich weggeschickt!»
«Du ermittelst doch nicht etwa allein? Da läuft ein Mörder frei rum, und du hast nicht mal eine Waffe!»
«Ich will ja niemanden erschießen!», erwiderte Laura trocken.
«Aber vielleicht will er dir ans Leder! Pass auf, ja?»
«Na klar! Du kennst mich doch. Aber jetzt erzähl mal was Substanzielles. Hast du noch etwas über die Tote aus der Isar rausgefunden?»
«Ein bisschen. Ich hab eine Freundin von ihr aufgetrieben, und die sagte mir, dass Iris Keller einen Lover hatte. Einen verheirateten Mann. Sie hat mir sogar seinen Namen genannt: Rolf Berger.»
«Was! Sag das nochmal!»
«Rolf Berger … Was ist denn?»
«Ich habe vor ein paar Minuten mit einem Rolf Berger gesprochen! Er nimmt an dieser Selbsterfahrungsgruppe teil!»
Baumann schwieg ein paar Sekunden.
«Klingt ja interessant. Zwei tote Frauen und ein Rolf Berger. Bringt dich das auf etwas?»
«Ja», sagte Laura nachdenklich, «aber als Iris Keller starb, war er schon in der Toskana.»
«Scheiße!», erwiderte Baumann. «Es wäre doch schön, wenn wir einmal einen einfachen Fall hätten. Dann könntest du diesen Berger festnehmen und wieder nach Hause kommen, mit deinem Vater Rommé spielen und mit mir Kaffee in der Kantine trinken.»
«Tja», lächelte Laura ins Telefon. «Leider gibt es keine einfachen Fälle. Der Mörder, der Iris Keller in die Isar gestoßen hat, kann auch nichts mit dem Tod von Carolin zu tun haben – es sei denn, er ist Berger nachgereist. Überprüf doch mal, ob es nicht zwei Rolf Berger gibt.»
«Mach ich. Passt du auf dich auf, ja? Taugt dieser italienische Kollege als Bodyguard, oder ist er nur eine nette Begleitung im Restaurant?»
«Beides! Aber jetzt pass auf: Ich gebe dir die Personalien der Gruppenmitglieder durch. Überprüf sie und versuche rauszufinden, ob sie in irgendeiner Verbindung zueinander stehen.»
«Es gibt nichts, was ich lieber täte …»
«Kannst du nicht einmal ernst bleiben?»
«Nein», sagte Baumann.
«Dann eben nicht! Pass auf!» Laura diktierte die Namen und Adressen der sieben Deutschen.
«Noch was?»
«Das ist alles. Warte, schau mal nach, ob du die Ehefrau von Berger zu fassen kriegst. Mich würde interessieren, wie sie mit den Affären ihres Mannes klarkommt.»
«Das muss ja ein toller Typ sein!»
«Ich finde ihn schrecklich», erwiderte Laura. «Er ist wehleidig, sentimental, auf klebrige Weise aufdringlich und aggressiv.»
«Klingt ja richtig verlockend!»
«Ja, aber vielleicht ist er mit seinen Frauen anders. Hier läuft noch was mit dieser Rosa Perl, die du auf deiner Liste hast! Wie spät ist es?»
«Gleich vier, warum?»
«Dann müssen wir Schluss machen. Ich muss Rosa Perl aus der Gruppe holen, ehe die Nachmittagssitzung beginnt!»
«Ich wollte dir noch von deinem Vater erzählen …»
«Morgen, Peter. Oder heute Abend, gegen zehn! Ciao!»
Laura kämmte blitzschnell mit den Fingern durch ihr feuchtes Haar, schlüpfte in ihre Schuhe und lief los. Sie erreichte den Gruppenraum, als Katharina Sternheim gerade die Tür schließen wollte.
«Ja?», fragte die Therapeutin und streifte Laura mit einem unergründlichen Blick.
«Es tut mir Leid, dass ich störe. Aber ich würde gern mit Rosa Perl sprechen.»
Katharina schaute an Laura vorüber auf die Dächer des Klosters, senkte dann die Augen und seufzte.
«Ich würde diese Sitzung gern mit der ganzen Gruppe abhalten. Wir arbeiten hier, und es ist keine einfache Arbeit.»
«Ich arbeite auch», konterte Laura. «Und es ist ebenfalls keine einfache Arbeit. Ich glaube, dass Sie alle hier den Ernst der Lage unterschätzen. Vielleicht liegt es an der Umgebung …»
Katharina wandte sich brüsk ab und rief nach Rosa. Kurz darauf tauchte die hagere Gestalt der Malerin hinter Katharina auf.
«Ja?»
«Die
Weitere Kostenlose Bücher