Nacht der Tiger
Herbstliches Kind ! Was soll das denn bitte sein?«
»Poesie bedient sich oft einer ausgefallenen Bildlichkeit«, erklärte der Erste Detektiv. »Das sollte uns nicht weiter stören. Die Frage muss vielmehr lauten: Warum tut jemand so etwas?«
»Er will uns auf den Arm nehmen?«, riet Peter.
Bob zögerte mit einer Antwort. »Ich habe eher den Eindruck, dass da jemand mit uns Kontakt aufnehmen möchte. Jemand, der aus irgendeinem Grund keine andere Möglichkeit hat, als es auf diese Weise zu tun.«
»Das sehe ich ähnlich«, stimmte ihm Justus zu.
»Kollegen!« Peter schien nicht überzeugt. »Es gibt Telefon, Internet, E-Mail. Sogar die gute alte Post könnte man belästigen. Wieso sollte uns jemand auf diese verquere Weise etwas mitteilen?«
»Genau das gilt es herauszufinden«, entgegnete Justus. »Wobei noch etwas hinzukommt: Der Absender dieser Zeilen scheint nicht nur keine andere Möglichkeit zu haben, um mit uns Kontakt aufzunehmen. Ganz offensichtlich muss er seine Informationen an uns auch verschlüsseln.«
»Du meinst, dieses seltsame Gedicht ist nicht bloß ein seltsames Gedicht?« Peter schaute auf den Monitor.
»Was hätte das für einen Sinn?«, stellte Justus eine Gegenfrage.
Der Zweite Detektiv nickte. »Eigentlich keinen. Also ein Rätsel. Aber warum? Warum schickt er uns seine Infos nicht als handelsüblichen Text?«
»Vermutlich, weil er es nicht kann!«
»Und warum kann er das nicht?«
Justus zuckte die Schultern. »Das werden wir hoffentlich schnell erfahren.«
Der dritte Detektiv blickte seine Freunde an. »Gehen wir also davon aus, dass wir ein Rätsel vor uns haben, einen chiffrierten Text. Wie wollen wir vorgehen, Kollegen? Es gibt zahlreiche Verschlüsselungsmethoden. Damit hatten wir schon oft genug zu tun.«
Der Erste Detektiv überflog die Zeilen ein weiteres Mal. »Ein Naturgedicht mit einem Kreuz- und einem Paarreim, in dem der Daktylus vorherrscht, so viel lässt sich feststellen.«
»Natürlich.« Peter lächelte dünn. »Der gute alte Daktylus.« Er hatte keine Ahnung, was das war.
»Das Metrum«, erklärte Justus.
»Natürlich«, wiederholte Peter, »was sonst.« Auch Metrum sagte ihm nicht wirklich viel.
»Ich finde«, schlug Bob vor, »wir sollten den Text dreimal ausdrucken und dann kann sich jeder von uns eine Weile erst mal allein mit den Versen vergnügen. Der eine sucht nach Anagrammen, der andere nach Auffälligkeiten bei den Buchstaben oder nach Zahlencodes. Just, du könntest die Sprachbilder im Internet überprüfen. Vielleicht ergibt sich daraus etwas. Wir gehen einfach alles durch, was uns bisher an Verschlüsselungsmethoden über den Weg gelaufen ist. Auf Geheimschriften mit Zitronensaft und Ähnliches können wir diesmal ja verzichten.«
Der Erste Detektiv nickte. »Ein sinnvoller Vorschlag, Dritter. Begeben wir uns ans Werk.«
»Das kann aber dauern«, bemerkte Peter.
»Dann legen wir am besten gleich los!« Justus drehte sich schwungvoll zum Schreibtisch und griff zur Maus.
In der nächsten Stunde überprüften die drei ??? alle Tricks und Kniffe, die ihnen in ihren zahlreichen Fällen im Hinblick auf Sprachchiffrierung untergekommen waren. Zettel um Zettel füllte sich mit Worten, Buchstaben, Zahlen und Zeichen. Sie wälzten Bücher, suchten auf Internetseiten nach Informationen und gruben die Aufzeichnungen alter Fälle wieder aus. Doch die Mienen der drei Jungen wurden mit der Zeit immer düsterer. Was sie auch unternahmen, das Gedicht wollte sein Geheimnis nicht preisgeben. Schließlich warf Justus seinen Stift auf den Tisch und ließ sich stöhnend zurückfallen.
»Das ist doch wie verhext!« Er massierte sich die Schläfen. »Ihr habt auch noch nichts, oder?«
»Fehlanzeige.«
»No, Sir.« Peter ließ seinen Block sinken. »Aber dafür schwirrt mir der Kopf vor lauter Felsen und Stränden und Seiten und was weiß ich noch allem.«
Für eine Weile war nur das Atmen der drei Jungen zu hören. Fast bewegungslos saßen sie auf ihren Stühlen und Sesseln, starrten vor sich hin, dachten nach, ließen ihre Köpfe ausrauchen. Draußen knackte irgendetwas. Eines der zahllosen Schrottteile wahrscheinlich, unter dem die Zentrale verborgen lag. Noch einmal knackte es und ein drittes Mal.
Plötzlich schoss Justus nach vorne zum Computer. So schnell, dass Peter vor Schreck zusammenzuckte und Bob der Stift aus der Hand fiel.
»No, Sir!«, rief Justus aufgeregt. »Felsige, Strand, Seite. Außen, drei mal!«
Peter und Bob sahen sich an. Jetzt
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