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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Giles
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einfach nackt im Mondlicht da. Dann hielt sie die innere Unruhe nicht mehr aus und fiel zu Boden. Sie kollerte durchs Gras, wand und drehte sich, strampelte mit den Beinen .. .
    Und dann jagte sie dahin . . .
    Dicht über dem Boden, lief sie schnell wie der Wind, lief . . . lief . . . lief . . .
    Erst vor Morgengrauen gelangte sie wieder zur Lichtung, wo sie ihr Nachthemd ausgezogen hatte. Am späteren Tag entsann sie sich verschwommen, daß sie ins Bad gegangen war, sich gewaschen hatte und erschöpft ins Bett gefallen war. Sie hatte beinahe bis mittags geschlafen.
    Nachts hielt die Hoffnung auf eine Wiederholung des Erlebnisses sie wach. Aber ein Gewitter zog auf, der Mond verbarg sich hinter den Wolken, und nichts geschah. Die nächste Nacht schlief sie traumlos durch. In der Nacht darauf blieb sie eine Weile wach, aber als wieder nichts geschah, versank sie in traumlosen Schlaf.
    Einmal stand sie nachts auf und schlich in den Wald. Dort zog sie sich nackt aus und sah zum Mond auf, der als schmale Sichel am Himmel stand. Sie wartete eine volle Stunde. Schließlich zog sie sich wieder an und kehrte lautlos ins Haus zurück.
    Dann fielen ihr die Bücher wieder ein, die Dachkammer, die Salbe und der Gürtel aus grauem Pelz.
    Am Abend ballte sich wieder ein Gewitter zusammen, aber das konnte sie nicht abhalten. Das Verlangen, freiheitstrunken durch den Wald zu laufen, war zu übermächtig. Sie schlief für kurze Zeit ein, aber der Donner weckte sie.
    Sie zog sich im Schlafzimmer aus und legte den Pelzgürtel an. Zuerst wollte sie sich gleich im Zimmer mit der Salbe bestreichen, überlegte es sich dann aber anders. Nackt bis auf den Fellstreifen zog sie mitten in der Nacht los. Den Salbentiegel nahm sie mit. Sie kehrte zur selben Lichtung zurück, auf der sie schon früher gewesen war. Dort strich sie die Salbe auf Schenkel, Schoß, Brüste und Oberarme. Sie zeichnete einen Kreis und darin einen zweiten, kleineren, stellte sich in die Mitte und sprach die Beschwörungsformel.
    Der Blitz zerriß die Wolken, sie stürzte zu Boden und schlug wild um sich. Der Pelzgürtel fiel von ihr ab. Sie schrie auf . . .
    Und dann lief sie . . .
    Ob sie tatsächlich durch die Wälder gelaufen war oder es nur geträumt hatte — wie man ihr später klarmachte —, wußte sie nicht. Jedenfalls war dieses Dahinstürmen das einzige Glück ihres jungen Lebens. Die üblichen Unterhaltungen junger Mädchen blieben ihr zum Großteil versagt. Die anderen Mädchen wiesen sie schroff zurück, als ahnten sie etwas Unerlaubtes, Bedrohliches an ihr. Obwohl sie keineswegs häßlich war, wagte kein Junge, sie anziehend zu finden oder sich gar um sie zu bemühen. Er hätte sich damit vor seinen Kameraden verdächtig gemacht. Roxanne war geächtet. Und allein.
    Und nachts lief sie allein.
    In jenem Winter begannen die Gerüchte zu kursieren. Ob sie auf Tatsachen beruhten oder nicht — sie bestätigten jedenfalls Roxannes Überzeugung, daß ihre Abenteuer keine Hirngespinste waren. Die Gerüchte sprachen von einem Wolf, der sich in der Gegend herumtrieb.
    »Ausgeschlossen«, hörte Roxanne den Bäcker sagen. »In Amerika gibt’s keine Wölfe. Höchstens ganz oben in Alaska.«
    »Es hat sich schon mancher Wolf aus Kanada hierher verirrt«, widersprach der Geschirrhändler.
    »Hat jemand diesen angeblichen Wolf gesehen?«
    »Jim Bensons Junge will ihn gesehen haben. Und Jim sagt, daß er eine unverkennbare Wolfsfährte entdeckt habe, und er kennt sich aus.«
    Die Gerüchte wollten nicht verstummen. Mehrere Farmer behaupteten, was da nachts im grauen Pelz durch den Wald lief, sei kein herrenloser Hund, sondern ein Wolf.
    Und Roxanne glaubte gern, daß sie es sei.
    Im nächsten Frühjahr erwachte sie wieder einmal mit einem kleinen blutigen Tier zwischen den Händen. Diesmal war es ein Backenhörnchen. Roxanne entsetzte sich nicht weiter darüber. Daß sie kleines Getier jagte, gehörte eben dazu. Als sie das nächste Mal träumte — oder lief —, befand sie sich bewußt auf der Jagd. Ihre Kiefer wollten zupacken, ihre Kehle war trocken, und sie witterte angestrengt nach Blut. Sie fand, was sie suchte. Zur Lust des Laufens war nun die Lust des Aufspürens und Beutemachens gekommen.
    »Der Wolf ist wieder da«, hörte Roxanne die Leute beim Getreidehändler sagen. »Hat drüben bei Follett ein Schaf gerissen.« »Hier gibt’s keine Wölfe. Muß ein Fuchs gewesen sein.«
    »Seit wann reißt ein Fuchs ein Schaf? Das war ein Wolf, sag ich dir. Und über

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