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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Giles
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fiel ein, daß Großmutter ihr für den Fall, daß
    sie Hilfe brauchen sollte, Dr. Duffy Johnson empfohlen hatte. Die Johnsons waren immer mit den Sanscoeurs befreundet gewesen.
    »Du gehst wegen deiner Werwolfvorstellungen zu einem Psychiater?« fragte Roxannes Zimmernachbarin ungläubig. Sie hielt die Sache für einen Jux.
    »Klar«, antwortete Roxanne leichthin. »Du hast mir doch immer gesagt, daß man in der Großstadt keine Tiere halten soll.«
    Sie hassen mich, und ich hasse sie. Und ich wollte, sie wären tot!
    Tränen schossen ihr in die Augen. Ob das grelle Licht oder ihre ohnmächtige Wut oder die endlose Kette von Demütigungen schuld daran waren, wußte sie nicht. Sie dachte bloß:  O Gott, so darf man mich nicht sehen. Niemand soll wissen, daß ich weine.  Sie lief zum Auto.
    Ich wollte, sie wären tot!

9
    Der Haß gärte in ihr.
    Sie dämmte ihn ein, unterdrückte ihn, ließ sich nichts davon anmerken. Aber der Haß, der an Angst erinnerte und sich an der Angst anderer entflammte, blieb.
    Am nächsten Tag tat sie alles Menschenmögliche, um sich bei Duffy einzuschmeicheln, ihn glücklich zu machen. Sie gab sich die größte Mühe beim Kochen seiner Leibspeisen. Sie zog ihren schönsten Strandanzug für ihn an, weiße Shorts und eine durchbrochene Bluse, die im nassen Zustand fast durchsichtig wurde.
    Den ganzen Tag hoffte sie, daß er sie endlich in die Arme ziehen würde. Er tat nichts dergleichen. Aber sie hatte Zeit, und einmal mußte es ja Abend werden.
    Am Abend aber hatten sie Streit. Nein, keinen richtigen Streit, dazu reichten ihre Gefühle nicht mehr aus. Eher eine Meinungsverschiedenheit. Ein Außenstehender hätte vielleicht gar nichts bemerkt. Aber der Streit war da und fachte ihre Wut noch stärker an.
    In der Stadt lief ein Film, den er schon seit langem hatte sehen wollen. Sie verspürte keine Lust, ins Kino zu gehen. Ihr graute vor dem Gedanken, in einem finsteren, geschlossenen Raum unter Leuten zu sitzen, die sie erkannten und mit ihrer Ausdünstung von Angst und Haß erstickten.
    Außerdem gab es als Abschluß eines schönen Tages Reizvolleres für einen Mann und eine Frau zu tun, als ins Kino zu gehen.
    Sie unterdrückte ihren Ärger. »Geh allein. Ich war zu lange in der Sonne und habe Kopfschmerzen. Bis du kommst, wird es schon wieder besser sein.«
    »Bist du auch nicht böse?«
    »Red keinen Unsinn. Meinethalben sollst du den Film nicht versäumen.«
    Nachdem er gegangen war, reagierte sie ihre Wut mit einem Drink ab, las eine Stunde und nahm ein Schaumbad. Dann suchte sie ihr hübschestes, frechstes Nachthemd aus, legte sich ins Bett und wartete.
    Und wartete.
    Mitternacht war längst vorbei, als sie den Wagen vorfahren hörte. Dann wurde die Tür geöffnet, und Duffy trat ein. Sekundenlang hatte sie Angst, es könnte ein Fremder sein, aber dann erkannte sie seine Schritte. Duffy ging schleppend, als sei er todmüde.
    Ihre empfindliche Nase registrierte das wohlbekannte Parfüm. Ihr wurde kalt. Sie hielt die Augen geschlossen und wartete, bis er sich ausgezogen hatte, ehe sie sprach.
    »Das war aber ein langer Film.«
    »Ich dachte, du schläfst. Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt.«
    »Nein.«
    »Ich hab’ mir den Film zweimal angesehen. Er war es wert.«
    Sie konnte sich nicht überwinden, die Augen zu öffnen.
    »Hast du Bekannte getroffen?«
    »Zachary und eine Frau, die in der Bibliothek beschäftigt ist. Sie waren auch im Kino.«
    Er machte das Licht aus. Die Matratze senkte sich, als Duffy sich aufs Bett setzte und sich dann ausstreckte. Aus der Erfahrung Hunderter ähnlicher Nächte wußte sie, daß er ihr den Rücken zudrehte. Er gab ihr keinen Kuß und wünschte ihr nicht einmal gute Nacht. Im nächsten Augenblick war er eingeschlafen. Sie brauchte noch einen Drink und eine volle Stunde, bis auch sie einschlafen konnte.
    Am Nachmittag beschloß sie, wieder in die Stadt zu fahren. Kaum stand ihr Entschluß fest, überfiel sie die Angst, daß Duffy ihr davon abraten könnte.
    »Dein Mut wächst, wie?« lächelte er. »Trotzdem will ich dich begleiten.«
    »Ich fahr lieber allein.«
    Überrascht und fragend sah er sie an.
    »Gestern war ich doch auch allein, Duffy. Wenn ich es schon durchstehen soll, dann will ich es auch tun. Da kann ich dich nicht als seelische Krücke mitnehmen.« An ihren Worten war etwas Wahres, wenn sie auch den eigentlichen Grund verschwieg.
    »Wie du willst«, meinte er achselzuckend. »Sicher wird es mit jeder Ausfahrt leichter für

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