Nacht der Vampire
Welt bestand aus silbernem Mondlicht und tiefschwarzen Schatten, seinem hämmernden Herzen und seinen zum Zerreißen gespannten Nerven. Und aus Geräuschen. Links im Wald hörte er etwas, das ihn einholte.
Mit einem Satz lief er nach rechts. Und dann war etwas auf der rechten Seite dicht neben ihm, er machte eine Vierteldrehung, stolperte und hastete blindlings weiter.
Sie waren hinter ihm und zu beiden Seiten. Unsichtbar verfolgten sie ihn. Und er wußte längst nicht mehr, wo er war und wohin er lief. Er hatte sich verirrt und flüchtete durch einen Alptraum des Grauens.
Aus der Dunkelheit kam etwas direkt auf ihn zu, aber er konnte sich nicht mehr abwenden. Es schoß wie ein schwarzer Blitz aus dem Wald. Das Mondlicht tauchte es sekundenlang in Silber, als es durch die Luft stürzte und dabei einen unmenschlichen, irren Schrei ausstieß.
Dann lag er auf dem Rücken, und das Ding war über ihm und über seinem Hals. Mehr wußte er nicht.
Und mehr sollte er auch nie . . .
12
Langsam tauchte sie aus ihrem Angsttraum auf, aber das Entsetzen hockte ihr noch im Nacken, als die Traumbilder verschwanden. Allmählich begriff sie, daß sie auf etwas sehr Hartem, Unbequemem saß und in eine Ecke gedrückt war. Ihre Nägel scharrten an etwas Hartem. Sie hörte sich selbst stöhnen. Zuerst glaubte sie, daß es regnete, und verwechselte den Regen mit den Tränen, die über ihre Wangen liefen.
Endlich begriff sie, daß sie auf dem Boden der Brausekabine saß und der Wasserstrahl mit voller Kraft auf sie gerichtet war. Dann erinnerte sie sich, daß sie die Kabine betreten und das Wasser aufgedreht hatte, ehe sie zu Boden gefallen war. Weshalb war sie hier? Ach ja — das Blut. Ihr ganzer Körper war rot verschmiert gewesen, das Blut hatte an ihren Händen geklebt. Sie hatte eine Flasche mit flüssiger Seife gefunden und sich damit übergössen. Sie mußte dieses Blut loswerden. Unbedingt.. .
Ihr Schluchzen wurde leiser. Schließlich versiegten ihre Tränen ganz. Wie lange sie unter der Brause gesessen hatte — eine halbe Stunde — eine Stunde oder noch länger, wußte sie nicht. Sie wollte aufstehen.
»Roxanne!«
Duffys Stimme überraschte sie. Sie drehte die Brause ab und wischte sich die Augen trocken, um ihn besser zu sehen. Offenbar war er schon länger im Hause, weil er seinen grünen Pyjama trug.
»Fehlt dir etwas?« fragte er besorgt.
Tonlos erwiderte sie: »Ich — ich muß mich waschen — das Blut. . .«
»Das Blut?«
»Es ist wieder passiert!«
Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Duffy verstand sie sofort und verwandelte sich in ihren behandelnden Arzt. Er zog sie aus der Brausenische und hielt sie fest. Sie durfte die Augen schließen, abschalten, alles ihm überlassen.
»Brauchst du ein —«
»Beruhigungsmittel — nein.« Heute wollte sie die Nadel nicht, die sie in dunkles Vergessen versinken ließ. Hätte Duffy sie eher gefunden, wäre sie vermutlich dankbar dafür gewesen. Jetzt aber war sie völlig apathisch.
Mit geschlossenen Augen hielt sie das große Badetuch fest, das Duffy ihr umlegte. Sie spürte, wie er ihr Haar abtrocknete und einen Turban darum wand. Dann führte er sie ins Schlafzimmer zurück.
»Jetzt ist alles wieder in Ordnung«, sagte er. »Der Traum ist vorbei.«
»Das war kein Traum«, wimmerte sie.
»Kannst du dich an etwas erinnern?«
»Nein —« Sie zögerte. »Nur an den Beginn. Ich bin aufgestanden, nach unten und ins Freie gegangen. Und dann — ich weiß es nicht. Unter der Brause bin ich wieder zu mir gekommen . .. und habe mir das Blut abgewaschen.«
Er führte sie zum Bett. Sie ließ sich mit geschlossenen Augen darauf fallen. Seine Schritte entfernten sich. Kurz darauf kehrte Duffy zurück. Sie hörte das Klirren von Eiswürfeln. Er drückte ihr ein kaltes Glas in die Hand. Der scharfe, trockene Geruch des Whiskys stieg ihr in die Nase. Langsam öffnete sie die Augen.
»Trink das. Es wird dir guttun.«
Sie nahm einen tiefen, hastigen Schluck, rang nach Luft und trank dann noch ein bißchen. Duffy hielt sein Glas in der Hand und zog sich einen Stuhl ans Bett, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Sein Brustkorb und der Hals waren nackt, aber sie erweckten nicht diese fürchterliche Gier von vorhin in ihr. Der Blutgeruch war ferne und reizte sie nicht.
»Weißt du gar keine Einzelheiten mehr?« fragte Duffy nach längerem Schweigen.
»Nein.«
»Du hast schlecht geträumt.«
»Nein, Duffy. Es ist wirklich etwas geschehen.«
»Erinnerst du dich noch an das
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