Nacht der Vampire
kleine Malheur mit der Katze?«
Sie nickte. Wie könnte sie es vergessen?
»Das ist wirklich geschehen, und du warst fest davon überzeugt, daß du dich in einen Wolf verwandelt hattest. Aber das war nicht der Fall. Die Illusion jedoch war vollkommen. Heute aber hast du, bloß geträumt. Deshalb kannst du dich an nichts mehr erinnern.«
Duffys entschiedene Worte beruhigten sie. Er sprach aus voller Überzeugung. Sie wollte ihm nur zu gerne glauben.
Duffy stand auf und griff nach ihrer Hand.
»Komm mit.«
Er führte sie zur Tür des Badezimmers und machte Licht.
»Schau dir das Waschbecken an. Und die Duschnische. Und den Boden. Siehst du auch nur die geringste Blutspur?«
»Nein, aber ich habe es abgewaschen —«
»Hattest du Blut an den Händen?« Duffys Stimme war nüchtern und unbewegt.
» Ja .«
»Dann hätte auch der Wasserhahn blutig werden müssen. Die Hähne liegen nicht direkt unter der Brause. Es hätte also etwas Blut zurückbleiben müssen. Trotzdem ist nicht der kleinste Tropfen vorhanden.«
Sie war verblüfft und suchte nach einer Erklärung. »Du wirst die Hähne gewaschen haben, damit ich nichts davon wissen soll —«
»Sei ehrlich, Roxanne«, sagte Duffy rauh. »Ich habe dir noch nie etwas verschwiegen, sondern versuche nur, dich mit der Wahrheit zu konfrontieren. Stimmt das?«
»Ja«, gab sie zaghaft zu.
Er knipste das Licht aus und zog sie hinter sich her ins Wohnzimmer, wo jetzt sämtliche Lampen brannten.
»Sieh dich um«, befahl er. »Sieh dir die Treppe an, den Boden, die Teppiche. Du kannst auch auf die Veranda gehen. Schau dir nur alles an.« Er nahm ihr das Whiskyglas aus der Hand. »Was hattest du denn an bei deinem Ausflug?«
»Nichts. Ich war nackt.«
»Keine Schuhe, keine Sandalen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts.«
»Ein weitverbreiteter Traum. Wäre es aber mehr als ein Traum, müßte der Boden Spuren aufweisen. Blut oder Schmutz. Und falls du durch nasses Gras gegangen bist, wären feuchte Flecken vorhanden. Ich habe überall nachgesehen und nichts gefunden.«
Roxanne hörte Duffy kaum zu, der unter dauerndem Reden in die Küche ging und ihre Gläser nachfüllte. Sie war bedeutend ruhiger und gefaßter. Jetzt begann sie selbst, den Boden peinlich genau nach Blutspuren abzusuchen, aber auch sie fand nichts.
Duffy kehrte kurz darauf zurück und drückte ihr das volle Glas in die Hand. Sie nippte daran, musterte aber immer noch den Fußboden und die Teppiche.
»Nun, etwas gefunden?« fragte Duffy.
»Nein, nichts.«
»Und jetzt will ich dir noch etwas sagen. Selbst wenn du Blutstropfen entdeckt hättest, wäre das noch lange kein Beweis gewesen. Du hast doch gesagt, daß du barfuß gewesen bist, wie? Da läuft unsere kleine Roxanne nackt, wie Gott sie geschaffen hat, durch Feld und Flur und spielt den bösen Werwolf.«
Sie errötete. Seit langer Zeit lächelte sie endlich wieder.
»Komisch. Dabei dachte ich immer, du gingst so ungern barfuß. Deine Sohlen sind ja auch wirklich weich wie ein Kinderpopo. Nun, ich habe mir deine Sohlen angesehen, Roxanne, aber nirgends die kleinste Schramme gefunden.«
»Aber ich bekomme dabei immer ganz rauhe Ballen, wie ein Wolf .. .«
Sie kam sich selber lächerlich vor. Duffy grinste sie an.
»Okay«, sagte er. »Du bist also zu nachtschlafender Zeit mit vier blutigen Pfoten heimgekommen und hast das ganze Haus besudelt. Gib’s auf, Liebling. Du hast im Bett gelegen und tief geschlafen, als ich heimkam. Dein Unterbewußtsein hat dir einen Streich gespielt. Du hast geträumt, bis du endlich schlaftrunken aufgestanden bist, dich unter die Brause gestellt und das Wasser aufgedreht hast. Kurz darauf wurde ich munter, hörte es plätschern und ging dich holen. Na, war’s nicht so?«
»Wahrscheinlich«, sagte Roxanne verlegen. »Trinken wir aus und gehen wir wieder zu Bett.«
Arm in Arm stiegen sie die Treppe hoch. Roxanne setzte sich auf die Bettkante. »Es tut mir leid«, sagte sie. Sie war völlig ausgepumpt, hatte aber noch keine Lust zu schlafen.
»Entschuldige dich nicht für Dinge, für die du nichts kannst«, sagte Duffy.
Geistesabwesend sah sie Duffy zu, der die Klimaanlage regulierte. Was er tat, war ihr einerlei. Sie sah nur den Mann selbst: einen ziemlich gut aussehenden Mann mit einem netten, ehrlichen Gesicht; einen Mann im grünen Pyjama, dessen Jacke offenstand; einen Mann, der sie einmal geliebt hatte.
»Liebst du diese Frau, Duffy?« fragte sie.
Duffy fuhr herum, als hätte ihn etwas gestochen.
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