Nacht der Vampire
schien sich jedoch zurückzuhalten.
Dann begriff er.
Auch jetzt, nach dreizehn Jahren, gehörte sie unverändert ihm, wenn er sie haben wollte. Er konnte sie jetzt oder in einem Jahr oder noch später nehmen. Fuhr er mit Roxanne nach New York zurück, dann würde sie ihm folgen, wenn er es wünschte. Sie hatte jahrelang gewartet, ohne die kleinste Hoffnung zu haben. Jetzt war die Hoffnung wieder erwacht, aber das Warten schmerzte sie nicht. Falls es ihm lieber war, daß sie wartete.
Die Erkenntnis raubte ihm den Atem. Darauf war er nicht gefaßt gewesen. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
»Gute Nacht«, sagte er.
»Gute Nacht. . .«
11
Wenn es ihm nur gelänge, einen einzigen von ihnen zu überzeugen, dachte Zachary Hale. Mit einem einzigen Verbündeten könnte er bei dem Rest Zweifel erwecken. Mehr war gar nicht nötig. Dann konnten die anderen dazu bewogen werden, Sanscoeurville entweder mit einem sichereren Ort zu vertauschen oder gemeinsam mit ihm die finsteren Mächte zu bekämpfen, die sie bedrohten.
»Es gibt eine Todeszone«, sagte er. »Ihr alle seht sie ganz deutlich —«
»Aber daran ist nichts Ungewöhnliches, Zack«, widersprach Ward. »Jede Großstadt ist bis zu einem gewissen Grad eine Zelle der Gewalttätigkeit —«
»Hier ist aber keine Großstadt! Und hast du jemals eine Zone gesehen, die diese Form hatte? Wie ein Kringel mit einem zu groß geratenen Loch in der Mitte?«
»Aber deine Karte zeigt doch, daß im Mittelpunkt dieser Zone auffällig viele Morde geschehen sind«, wandte Jeanne ein. »Und sie ist auch nicht wirklich wie ein Rad oder ein Kreis geformt —«
»Das Wort ›Rad‹ war auch nur als Behelf gedacht. Jedenfalls treten die blutigen Todesarten gehäuft in einem Gebiet auf, dessen Mittelpunkt Sanscoeurville ist. Das legt den Schluß nahe, daß Sanscoeurville die Ursache dieser Gewalttätigkeiten ist. Das gehäufte Auftreten dieser Gewalttätigkeiten im sogenannten Rad unterstreicht diese Schlußfolgerung.«
»Und was hat unser Teenagerverein damit zu tun?« fragte Ward.
»Das weiß ich nicht genau —«
»Na bitte«, sagte Jeanne triumphierend.
»Aber eines weiß ich: Jeder von uns hat diese verdammten Eide geleistet. Und jetzt sind wir alle zur selben Zeit da. Nenne das bitte keinen Zufall. Bonnie Wallace zum Beispiel wußte keine Erklärung für ihr Kommen und wollte unbedingt wieder fort von hier. Und sie wurde getötet —«
»Aber in nächster Nähe und nicht in deiner Todeszone«, wandte Ward ein.
Zachary überhörte den Einwurf. »Ich glaube, sie wurde mit magischer Gewalt zurückgeholt, genau wie wir es seinerzeit beschworen haben. Und was mich betrifft, so weiß ich, daß ich zurückgerufen wurde.«
»Woher weißt du das?« fragte Jeanne.
Zachary zauderte. Daß er Stimmen gehört hatte, konnte er ihnen nicht sagen. Das raubte seinen Argumenten jede Glaubwürdigkeit, und die anderen würden ihm nicht länger zuhören.
Sinnend schüttelte er den Kopf. »Sagen wir, ich habe es in allen Knochen gefühlt. Mit einer Heftigkeit, die mich die lange Reise von Paris antreten ließ.«
»Und weshalb die lange Reise? Um hier ermordet zu werden?« fragte Jeanne.
»Nein, sondern weil ich wußte, daß ihr alle hier sein würdet. Und ihr seid wirklich hier. Ich habe diese verdammte Sache vor dreizehn Jahren angezettelt. Deshalb fühle ich mich für euch verantwortlich. Ich kam her, um euch zu beschützen. Bonnie Wallace ist tot, also habe ich bisher offenbar versagt.«
»Dein ehrliches Bemühen ehrt dich«, meinte Ward.
»Ich sehe ja ein, daß dich vieles in deinen Ansichten bestärkt«, sagte Jeanne. »Deine — nennen wir es Ahnung, daß du hier gebraucht würdest. .. Bonnies Tod . . ., die von dir entdeckte Mordzone — obwohl ich überzeugt bin, daß es sich hier um ein rein kulturelles Phänomen handelt — und natürlich der Schwur, mit dem wir uns selbst und einander vor dreizehn Jahren beladen haben . . . Zählt man das alles zusammen, ist es ziemlich bedrückend.«
Zachary glaubte schon, Jeannes Skepsis endlich durchbrochen zuhaben. Sie saß ganz still. Ihre Augen hatten einen träumerischen Ausdruck, als betrachte sie Möglichkeiten, die sie bisher nie erkannt hatte. Ward beobachtete sie neugierig. Aber dann schüttelte sie energisch den Kopf.
»Du bist Architekt, Zack, also eher ein Künstler als ein Wissenschaftler. Deine Fantasie ist die eines Künstlers. Ich glaube im Ernst, daß deine Behauptungen viel Wahres enthalten —«
»Aber es sind
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