Nacht der Versuchung
und hielt den Bademantel mit beiden Händen über ihrem dünnen Perlonschlafanzug zusammen. »Was willst du hier?«
»Ich dachte, es erfreut dein Herz, mich wiederzusehen.«
»Laß den Blödsinn!« Die Stimme Ursulas klang angewidert. »Du weißt, daß es aus ist. Ein für allemal aus. Was willst du also hier?«
Pommer sah auf seine unruhigen Hände. Seine Fingernägel kratzten über das Holz der Bank. »Genaugenommen wollte ich dich wirklich wiedersehen. Ich wußte nicht, daß du mit zwei Freundinnen hier bist.« Er erhob sich, machte eine leicht ironische Verbeugung und setzte sich dann wieder. »Übrigens meine Gratulation für das bestandene Abitur. Allerhand, bei deinen sonstigen Interessen.«
»Du bist widerlich! Brauchst du wieder Geld?«
»Welche Frage. Das brauche ich immer.«
»Wieviel?«
»Einen Klecks nur. Tausend Emmchen.«
»Hat dich Frau von Eickshausen auch schon wieder hinausgeworfen?«
»Die liebestolle Veronika?« Pommer lachte leise. »Das ist doch schon von vorgestern. Zuletzt war ich mit einer Frau Weber zusammen. Oberpostratswitwe. Der gute Mann starb an einem Herzinfarkt. Sophie Weber, achtundvierzig Jahre, war voller Trostbedürfnis. Bis vorgestern. Da entdeckte sie, daß auf ihrem Sparbuch viertausend Mark fehlten.«
»Schuft!«
Pommer hob die Schultern. »Das Leben ist teuer.«
Ursula Fürst lehnte sich an den rauhen Stamm einer Kiefer. Mit verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln musterte sie ihren Vetter. Welche Kreatur, dachte sie. Da sitzt er nun in einem Maßanzug, den irgendeine seiner vielen Frauen bezahlte. Er sitzt da wie ein kleiner König, selbstsicher und gutgelaunt, und von ihm geht ein Fluidum aus, das jede Frau in seine Arme treibt. Auch mich … vor einem Jahr bereits … in der Unterprima … hier in diesem Haus … am 15. August … ein unvergeßliches Datum. Die großen Sommerferien. Drei Wochen dauerte es. Drei Wochen ein Rausch. Drei Wochen eine Höllenfahrt. Glück und elende Ernüchterung immer und immer wieder. Wehren und Hingabe, Haß und Taumel, Reue und Vergessen … »Du hast dich gut erholt, Ursula!« sagte Mama am Ende der Ferien. »Du siehst richtig gut aus.« Und ich habe sie angesehen, ohne rot zu werden, und habe geantwortet: »Ja, Mama, das macht die fantastische Seeluft.«
Ursula Fürst strich sich nun die langen rotblonden Haare aus den Augen. Es war eine energische, wegwischende Bewegung.
»Ich werde dir das Geld schicken. Wo wohnst du jetzt?«
»Hamburg, Hotel ›Vier Schwalben‹.«
»Also eine Absteige?«
»Ein Luxushotel mit vier Sternen im Hotelführer ist's nicht.«
»Du bekommst dein Geld. Und jetzt hau ab! Gleich jetzt. Ich will meinen Freundinnen deinen Anblick ersparen.«
»Eifersüchtig, mein Püppchen?« Pommer stand auf. Ursula hob beide Hände.
»Bleib mir vom Leib, du Schuft!«
»Alles hier atmet Erinnerung.« Pommer sah sich um. »Dort stand einmal unser privater Doppelstrandkorb. Damals trugst du einen Bikini, dessen Höschen nur von einer Schleife gehalten wurde. Wenn man an der Schleife zog …«
Ursula Fürst drückte das Kinn an. Ihr schönes, einem Magazinfoto ähnliches Gesicht wirkte plötzlich kalt und brutal. »Man wird dich eines Tages umbringen. Irgend jemand wird den Mut haben, die Welt von dir zu befreien. Wenn es ein Mann ist, könnte ich ihn aus Dankbarkeit heiraten.«
»Schluß jetzt!« Fred Pommer sprang von der Bank auf. »Ich habe vor, wenigstens drei Tage hierzubleiben. Ob es dir gefällt oder nicht, das kümmert mich wenig. Ich habe Erholung nötig nach den anstrengenden Monaten mit Sophie Weber.« Er zündete sich eine neue Zigarette an und sah durch die Feuerzeugflamme zu Ursula. »Was für ein Mädchen ist eigentlich diese Margit Bernhardt?«
»Ein Mädchen, das auf jeden Fall für dich zu schade ist. Laß die Hände von ihr. Ich warne dich!«
»Klingt sehr dramatisch.« Pommer machte einen tiefen Zug und blies den Rauch gegen den Himmel. »Aber wenn es dich beruhigt: Ich habe mich auf reifere Frauen spezialisiert, die es sich etwas kosten lassen, geliebt zu werden.«
Ohne Antwort wandte sich Ursula ab und ging ins Haus zurück. Sie hörte noch beim leisen Türzuziehen Pommers leicht meckerndes Lachen und hob wie frierend die Schultern.
Wie dreckig das alles ist, dachte sie und zog die Decke bis ans Kinn, als sie im Bett lag. Wie hundsgemein dreckig. Und das schlimmste ist, daß man jetzt nicht mehr aus diesem Schlamm heraus kann.
*
Zwei sonnige Tage vergingen.
Fred Pommer zeigte sich
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