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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war stolz auf seine Frau, aber noch mehr zeigte er diesen Stolz bei seiner einzigen Tochter Margit, die er im Freundeskreis einmal so umschrieb:
    »Deutschland, Frankreich und Spanien haben an ihrer Wiege Pate gestanden. Sie ist ein wahrhaft abendländisches Mädchen.«
    An diesem Abend hatte Baurat Bernhardt wenig Zeit, sich um Margit zu kümmern. Das Haus und der Garten waren belebt mit fröhlichen Gästen, zwei Mädchen mit Häubchen trugen Sekt mit Fruchtsäften herum, ein kaltes Büfett glänzte unter Lampions am Ende der kleinen Freitreppe, die von der Wohnhalle in den Garten führte. Irgendwo in den Buschgruppen hingen Lautsprecher und untermalten das Sommerfest mit dezenten Tanzweisen von einem Tonband.
    Margit stand etwas abseits des Trubels in einem weißen Spitzenkleid, ein Glas Sekt in der Hand, und starrte ins Leere. Nach vielen Händedrücken und Gratulationen zum bestandenen Abitur war sie froh, jetzt allein zu sein. Inmitten der fröhlichen Menschen kam sie sich wie ausgestoßen vor. Man muß es mir ansehen, dachte sie immer wieder erschrocken und bemühte sich, nicht an sich herunterzublicken. Wer mich genau ansieht, muß es bemerken: Ich bin nicht mehr die Margit Bernhardt, die vor vier Wochen wegfuhr an die Ostsee, in das kleine Dorf Hellerbrode, in das Ferienhaus ihrer Freundin Ursula Fürst. Ich bin nicht mehr das ›Zauberwesen der Jugend‹, wie eben noch der alte Geheimrat Planitz sagte, o nein … die Süße der Jugend ist abgekratzt worden, von seinen Händen, mit seinen Nägeln, die Risse und Wunden in meinem Rücken hinterließen, Mahnmale einer Leidenschaft, gegen die ich ohnmächtig bin.
    Wie wenig ihr mich alle kennt.
    »Dieses Fest ist auch dein Fest, mein Engelchen«, hat Papa vor zwei Stunden gesagt. O Papa! Es gibt kein Engelchen mehr. Wenn du mir genau in die Augen sehen würdest, müßtest du es erkennen: Ich bin eine Frau geworden. Und du, Mama, was würdest du sagen? Du würdest versteinert sein, wie du es immer bist, wenn du etwas nicht begreifen kannst. »Wer war es?« würdest du dann fragen. Und ich würde sagen: »Ich sage es nicht! Und wenn ihr mich totschlagt!« Trotz würdet ihr bei mir entdecken, wilde Entschlossenheit, dieses Geheimnis für mich zu behalten – aber soweit wird es nicht kommen, denn ihr würdet nie fragen, es nie in meinen Augen bemerken, weil euch nie der Gedanke kommen könnte, daß ich, eure Tochter, so etwas tun würde.
    Sie schrak auf, als sich das Licht von den Lampions des kalten Büfetts vor ihr verdunkelte. Ein Herr im Smoking stand vor ihr und verbeugte sich.
    »Fräulein Margit, endlich finde ich Sie. Ich habe Sie gesucht.« Der Herr lächelte, als er Margits verwunderten Blick sah, und nahm ihr das Sektglas aus der Hand. »Sie kennen mich nicht mehr? Klaus Blankers. Vor zehn Jahren, Sie waren damals gerade neun, sagten Sie ›Onkel Klaus‹ zu mir. Ich fand das komisch, denn ich war damals ja selbst noch ein junger Spund und Volontär meines Vaters.«
    »Onkel Klaus!« Margit lächelte ein wenig müde. »Natürlich. Und wir haben uns zehn Jahre lang nicht mehr gesehen?«
    »Natürlich doch. Per Distanz. Aber heute habe ich Sie gesucht, und eigens nur zu dem Zweck, um Ihnen einmal zu sagen, wie erschreckend schön Sie geworden sind.«
    »Erschreckend?«
    »Ja. Man entdeckt, daß man nicht mehr ein Onkel sein mag, sondern nur noch ein Mann.«
    Margit senkte den Kopf. Unter den Wimpern her musterte sie Klaus Blankers. Er hat schon graue Schläfen, obgleich er erst Mitte Dreißig sein muß. Sein Gesicht ist braungebrannt und von kantiger Männlichkeit. Seine Augen sind graugrün, forschend und können sicherlich sehr hart blicken. Sein Smoking steht ihm blendend; aber auch ohne Smoking wird er …
    Ohne – –
    Rauschendes Meer, Mondschein, ein warmer Wind, zwei nackte, zueinanderstrebende Körper … und das Meer kühlt nicht mehr, sondern ist ein Feuer, in dem man verglüht …
    Margit wandte sich ab. Klaus Blankers stellte das Glas auf die Balustrade der Freitreppe und legte die Hand leicht auf die Schulter Margits. Sie zuckte zusammen wie unter einem Schlag.
    »Im Garten spielt man jetzt einen Walzer. Gönnen Sie mir diesen Tanz, Margit?«
    Sie nickte, hakte sich bei Blankers ein und ging mit ihm hinüber zur Tanzfläche, einem glatten Wiesenstück. Stumm tanzten sie drei Tänze hintereinander, blickten an sich vorbei und vermieden es, sich in die Augen zu sehen.
    »Margit!« sagte Blankers nach dem letzten Tanz und hielt sie fest, als sie

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