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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zum kalten Büfett wollte. »Sie sind so anders. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich kenne Sie nur als fröhliches Mädchen.«
    »Warum soll ich nicht mehr fröhlich sein?« Margit lachte krampfhaft. »Ich habe allen Grund, fröhlich zu sein. Ich habe mein Abitur in der Tasche, und nächstes Jahr gehe ich nach Heidelberg und studiere Medizin.«
    »Medizin? Wozu?«
    Die Frage verwirrte Margit. Verblüfft sah sie Blankers an. »Wozu?« wiederholte sie. »Vielleicht interessiert es mich, wie der Mensch von innen aussieht.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie in einem Anatomiekeller sitzen und an Leichen herumschnipseln.« Blankers schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht das Mädchen, eine eitrige Niere herauszupräparieren. Die Natur hat Ihnen eine andere Aufgabe gegeben.«
    »Und welche?« fragte Margit zurück. Ihre Stimme war wie in einem Schraubstock. Sie kannte die Antwort im voraus.
    »Sie sollten einen Mann glücklich machen.« Blankers' Gesicht war kantig, er starrte an Margit vorbei auf die anderen tanzenden Paare und auf Baurat Bernhardt, der mit drei Herren der Stadtregierung unter den hohen Bäumen hin und her ging. »Das sagt nicht der ›Onkel Klaus‹ zu Ihnen.«
    Der Kopf Margits flog herum. In ihren Augen stand hilflose Angst und ein stummer Aufschrei.
    »Soll das die Vorbereitung eines Antrages sein?« stammelte sie. Klaus Blankers schüttelte den Kopf.
    »Dazu habe ich kein Recht, Margit. Was wissen Sie von mir? Ich bin der Erbe eines großen Handelshauses; ich habe eine Fabrikation begonnen, die in den nächsten Jahren einige Patente auswertet, die mich zum Millionär machen; ich bin fünfzehn Jahre älter als Sie und noch immer Junggeselle aus Gründen, die ich selbst nicht erklären kann. Vielleicht hatte ich nie Zeit für eine Frau, oder ich habe nie die Frau gefunden, die mir mehr wert war als meine Zeit. Aber das alles sind nur Fakten, Stationen eines Lebens. Wer ich bin, wie ich bin, was wissen Sie darüber, Margit? Und deshalb würde ich mich glücklich schätzen, wenn es möglich wäre, daß wir uns näherkommen.«
    Margit nickte. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie winkte verzweifelt ein paar Mädchen zu, die zur Tanzfläche gingen.
    »Lassen Sie uns darüber ein andermal sprechen«, rief sie und raffte ihr langes Spitzenkleid mit beiden Händen hoch. »Meine Freundinnen rufen mich. Bis später!«
    Sie lief über den Rasen, stolperte einmal, warf den Kopf zurück in den Nacken und rannte weiter. Wie eine Flucht sah es aus, und Klaus Blankers verstand es auch so.
    *
    Zwei Stunden später fand im Arbeitszimmer des Baurats eine kurze und merkwürdige Aussprache statt. Baurat Bernhardt hatte sich eine Zigarre angesteckt und sah über den Rand eines Rotweinglases auf Klaus Blankers, der gegen den Kamin gelehnt stand und mit unruhigen Fingern an seinen Manschettenknöpfen spielte.
    »Alles ganz schön, lieber Klaus«, sagte Baurat Bernhardt und nippte an dem Rotwein, »ich kenne Ihre Karriere, ich kenne Ihren Herrn Vater, ich kenne Ihre Vermögensverhältnisse, ich kenne Sie selbst noch als Schuljungen, mit dem Ranzen auf dem Rücken. Um mir das alles zu erzählen, haben Sie mich doch sicher nicht ins Haus gebeten. Was ist also der wahre Grund? Gibt es irgendwo doch Schwierigkeiten, wo ich Ihnen helfen kann?«
    »Nein.« Klaus Blankers drückte das Kinn an den steifen Smokingkragen. »Darf ich fragen, ob ich verrückt bin?«
    »Bis jetzt zeigten sich keinerlei darauf hinweisende Symptome.« Baurat Bernhardt stellte sein Glas auf die Marmorplatte des Kamintisches.
    »Danke. Dann betrachten Sie mich bitte auch nicht als verrückt, wenn ich Sie jetzt um die Hand Ihrer Tochter Margit bitte.«
    »Verrückt!« entfuhr es Bernhardt. Er stand aus dem tiefen Sessel auf und ging auf den steif am Kamin lehnenden Blankers zu. »Natürlich sind Sie nicht verrückt, Klaus, wenn auch das alles reichlich durcheinander klingt. Sie und Margit – das ist ein Gedanke, an den ich mich erst langsam gewöhnen müßte.«
    »Bin ich solch ein Ekel?«
    »Aber nein! Bei Ihnen wüßte ich Margit in den besten Händen. Und gerade das ist es, Klaus … ich sehe in Ihnen, wenn ich an Margit denke, im Augenblick nur eine Art zweiten Vater, aber nicht einen Ehemann. Der Altersunterschied, unser gemeinsames Heranwachsen; alles, was uns seit Jahren verbindet – und nun soll ich in Ihnen meinen Schwiegersohn sehen. Das ist mir wirklich ein bißchen komisch.« Bernhardt blieb stehen und atmete ein paarmal

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