Nacht der Versuchung
tief. »Was sagt denn Margit dazu?«
»Sie weiß von gar nichts.«
»Aha!« Bernhardt hob die Hand. »Klaus, verlieren Sie sich nicht in bunten Träumen. Margit ist jung …«
»Ich werde ihr in den nächsten Wochen und Monaten Gelegenheit geben, mich näher kennenzulernen. Bevor ich dies aber tue, wollte ich um Ihre Zustimmung und Unterstützung bitten.«
»Die Zustimmung haben Sie, mein Junge.« Baurat Bernhardt lachte etwas hilflos. »Aber wie soll ich Sie unterstützen? Margit ist ein erwachsener Mensch. Sie wird sich ihren Partner selbst suchen. Übrigens, damit wir uns verstehen …« Bernhardt drehte sich um und sah Blankers ernst an: »Das ›Näherkennenlernen‹ hat eine Grenze! Ich spreche hier ganz hart von Mann zu Mann. Margit ist ein Mädchen, und ich möchte, daß sie so auch mit Recht einmal einen weißen Schleier tragen kann. Das klingt zwar in der heutigen Zeit etwas altmodisch – aber ich bin nun mal sehr konservativ.«
»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Herr Baurat«, Blankers verbeugte sich kurz, »daß ich jederzeit für die Ehre Margits einstehen werde!«
»Danke, Klaus.« Baurat Bernhardt strich sich über die Augen. Er seufzte, griff nach seinem Glas Rotwein und trank es entgegen aller Weinetikette in einem Zug leer. »Es ist ein merkwürdiges Gefühl, so ruckzuck Schwiegervater zu sein – und auch noch ein heimlicher Schwiegervater. Sollen wir es meiner Frau sagen?«
»Noch nicht, Herr Baurat. Ich stehe im Augenblick noch auf einem verlorenen Posten.«
»Das stehen Sie, bei Gott. Ich bewundere Ihren Mut, Klaus. Als ich meine Frau kennenlernte, war das einfacher. Ich fuhr ihr von der Seite in ihren Sportwagen, auf der Straße nach Avignon. Ich hatte Schuld, ich kam aus einem Nebenweg. ›Gnädiges Fräulein‹, habe ich damals gesagt, ›bei dieser Reparatur, die mindestens viertausend Francs kostet, ist es besser, wir heiraten; da bleibt die Ausgabe in der Familie.‹ Lis hat bis heute nicht erfahren, daß der Zusammenstoß absichtlich von mir herbeigeführt worden war, ich hatte sie schon vorher vier Wochen lang in Cannes heimlich angeschmachtet.« Baurat Bernhardt lachte. »Einfälle muß man haben, Klaus! Aber die zündenden Einfälle bei Margit, die suchen Sie mal selbst.«
»Ich werde mir alle Mühe geben«, sagte Blankers und hob lächelnd sein Weinglas.
*
Die Gegend am Hamburger Hafen war schmutzig, eng und roch nach Fisch. Die alten Häuser schienen abzublättern, das Pflaster war glitschig, und die Frauen, die trotz der Dunkelheit noch auf Hockern vor den Haustüren saßen und strickten, verfolgten Margit Bernhardt mit neugierigen und, wie es schien, fast feindseligen Blicken.
In der Hand hielt Margit krampfhaft einen Zettel. Eine Adresse stand darauf: »Zum Dreimaster, Hogenstraße, St. Pauli.«
Durch einen Trick hatte sie die Anschrift bekommen. Sie hatte mit Ursula telefoniert und ganz am Schluß des langen Gespräches gefragt: »Du, sag mal, Uschi, was macht eigentlich dein Vetter? Wie hieß er doch noch mal?«
»Fred.«
»Richtig. Fred. Lebt er noch?«
»Vorgestern jedenfalls. Wie Ratten eben leben. Er rief von seiner Stammkneipe an. ›Zum Dreimaster‹. Aber weiter, Margit: Du wolltest mir erzählen, daß du schon dreimal mit diesem Blankers zum Tennis warst. Ist er ein schicker Junge?«
Zum Dreimaster. Im Telefonbuch stand die Adresse. Margit schrieb sie ab und fuhr mit der Bahn hinaus nach St. Pauli.
Nun ging sie langsam durch die dunklen, glitschigen Straßen, wich betrunkenen Seeleuten aus, sah die ersten Verhandlungen der Straßendirnen mit den Frühkunden, darunter einem Mann mit langem Bart, der aussah wie ein Studienprofessor aus einem alten Bilderbuch; fragte an der Ecke eine dicke Frau nach der Hogenstraße und lief etwas schneller weiter, als einige Matrosen hinter ihr herpfiffen und ihr »Komm mal her, Puppe!« nachriefen.
Zum Dreimaster.
Da war es. Über der engen Tür ein Leuchtschild mit einer stolzen Brigg. Blinde Fenster, hinter denen man gedämpftes Licht ahnte. Fetzen von Musik und kreischendes Lachen, wenn die Tür aufging. An der Laterne vor dem Eingang drei Dirnen, rauchend und Margit stumm musternd. Man hat nicht gern Konkurrenz im Revier.
Margit stopfte den Zettel mit der Adresse in die Tasche ihres Mantels. An den Dirnen vorbei ging sie zum Eingang der Wirtschaft, als sie mit einem harten Griff zurückgehalten wurde.
»Meine Süße!« sagte eine rauhe Frauenstimme. »Nix gegen Geldverdienen. Aber such dir 'n anderes Revier. Hier
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