Nacht der Versuchung
gegen eine der Mülltonnen. Sie brauchte Halt, ihre Beine knickten ein.
»Warum?«
»Warum? Du kannst noch fragen? Ich habe gedacht, du seist ein großer Kaufmann. Von Afrika hast du erzählt, von Indien, von deinen Reisen.«
»Das hast du alles geglaubt?«
»Ja. Und nun …«
»Nun siehst du einen betagten Gigolo, was? Einen Potenzprotz, der sein Geld damit verdient, unerfüllte Frauen zu befriedigen. Zum Beispiel draußen, die Dora. Witwe eines Großschlächters. Hat gut und gern 500.000 auf dem Konto und sonst noch allerlei. Und sie liebt mich, auf ihre Art. Es ist ein reeller Warenaustausch. Sie bezahlt mich … ich liefere ihr den Frühling frei Haus.« Pommer hob beide Arme. »So ist das nun mal, meine Kleine. Wenn man Pommer heißt, ein armes Schwein ist, in der Fürsorge erzogen wurde und von der Familie in den Hintern getreten wird, wo immer man auftaucht, bleibt einem nichts anderes übrig.«
Margit senkte den Kopf. Ekel und Scham überschwemmten sie.
»Und du, gerade du hast mich …«, stammelte sie.
»Was hat das mit meinem Beruf zu tun oder meiner gesellschaftlichen Stellung?« Pommer trat einen Schritt zurück. »Aber ja, natürlich. Das Fräulein Baurat hätte nie einen Mann wie mich an ihren Luxuskörper herangelassen, nicht wahr? Ein Bernhardt-Leib ist erst zugelassen von einem Millionen-Bankkonto an aufwärts! Verdammt noch mal – wie stolz kann ich sein, daß ich in diese Tradition eingebrochen bin!«
»Du bist ein Schwein!« schrie Margot vor Wut und Enttäuschung. »Du bist das größte Schwein, das es auf der Welt gibt.«
Fred Pommer sah sie entgeistert an. Dann nickte er, hob die Hand, holte aus und schlug zu. Sein Schlag war so hart, daß Margit neben der Mülltonne zusammensank und mit dem Kopf gegen eine Kiste schlug.
Ohne sich um die Zusammengesunkene zu kümmern, ging Pommer zurück in das Lokal und steckte sich eine Zigarette an.
»Dämliches Frauenzimmer!« sagte er, als der Kellner ihn fragend ansah. »Manchmal sind die jungen Weiber wilder als die Katzen.«
Aus der dunklen Nische winkte die Blondine. Ihre trunkenen Hände streckten sich Pommer entgegen.
*
Sonja Richartz liebte es, kurze Kleider zu tragen und ihre schlanken Beine beim Sitzen offen zu zeigen. Ebensoviel Stoff, wie sie an den Röcken sparte, ließ sie auch vom Hals abwärts weg, denn sie wußte, daß sie nicht nur schöne Schultern besaß, sondern auch einen für Männer sehr anziehenden Brustansatz. Sie hielt es deshalb für eine echte Schande, solche Naturereignisse zu verbergen.
So erfolgreich sie in der Mode war, so trist war ihre geschäftliche Lage. Sie hatte vor zehn Jahren einen Fabrikanten geheiratet, der ein Jahr später bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Um sich von dem Schock zu erholen – sie war damals sechsundzwanzig Jahre alt –, reiste sie an die Riviera, nach Florida, auf die Bahamas, kaufte sich eine Motorjacht in St. Tropez und ein kleines Chalet in St. Moritz und war bis in die Seele erschrocken und verletzt, als der Syndikus ihrer Fabrik in nüchternen Worten mitteilte, daß ein Konkurs nicht mehr abzuwenden sei. Das höchste sei ein Vergleich, wenn man einen Dummen fände, der noch Geld gäbe – oder gar einen ganz Dummen, der die Fabrik kaufte.
Sonja Richartz glaubte, diesen Dummen gefunden zu haben. Nur kam hinzu, daß das Opfer auch noch blendend aussah und liebevolle Gefühle in Sonjas spärlich bekleidetem Busen erweckte; so starke Gefühle, daß sich alle finanziellen Probleme auflösen würden, wenn es zu einer Heirat käme.
Der Mann hieß Klaus Blankers.
Gegenwärtig saß sie Blankers in dessen mit Mooreiche getäfeltem, im alten hanseatischen Geist eingerichteten Büro gegenüber, hatte die langen Beine übereinandergeschlagen und stellte mit stiller Freude fest, daß Klaus Blankers den schwarzen Spitzensaum ihrer Unterwäsche bemerkte und so tat, als sehe er ihn nicht.
»Wann reiten wir wieder aus, Klaus?« fragte Sonja vertraut. Seit einer gemeinsamen Segelpartie auf der Alster nannten sie sich mit Vornamen. »Ich habe einen neuen Weg entdeckt zum Sachsenwald.«
Klaus Blankers sortierte einige Briefbogen, obgleich sie bereits korrekt gestapelt lagen. Er schien nervös und suchte sichtlich nach Worten.
»Ich muß Ihnen etwas sagen, Sonja«, setzte er an und brach ab, als er ihre fragenden grauen Augen sah. Ihr Puppenkopf mit den hochgesteckten, aschgrau gefärbten Haaren beugte sich vor. Der Ausblick auf ihren Kleidausschnitt war atemberaubend.
»Was
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