Nacht der Versuchung
wollten Sie mir sagen, Klaus?« Ihre Stimme girrte wie eine Lachtaube.
»Um es kurz zu machen: Ich werde in absehbarer Zeit heiraten.«
»Oh!« Sonja lehnte sich zurück. Es war ein Schlag, der sie gegen die Sessellehne warf. »Das haben Sie aber brutal gesagt.«
»Gott sei Dank ist es heraus.« Blankers sah über die aschgrauen Haare hinweg gegen die Mooreichenwand. »Sie werden verstehen, daß ich unter diesen Umständen von nun an enge gesellschaftliche Verpflichtungen habe, die es mir unmöglich machen, über meine karge Freizeit noch zu disponieren.«
»Das haben Sie sehr diplomatisch gesagt. Auf gut deutsch heißt es: Sonja, gehen Sie. Sie stören jetzt. Habe ich recht?«
»Aber nein!«
»Aber doch!« Sonja Richartz zog den Rock über ihre Knie. Sie tat es zum erstenmal seit ihrer Bekanntschaft mit Blankers. Es war wie eine stumme Kapitulation. »Schade. Ich bin in einem Alter, Klaus, wo ich schade sagen darf, ohne mir dabei etwas zu vergeben. Ich bin ehrlich genug, Ihnen jetzt zu sagen, daß ich Hoffnungen hatte, zwischen uns könnte Sympathie und mehr entstehen. Sie sind ein Mann, und ich bin eine durchaus nicht häßliche Frau. Jeder Spiegel sagt mir das. Meine Hoffnungen waren also nicht allzu abwegig. Bitte, sehen Sie mich nicht so groß und treu aus Ihren schönen Augen an … ich erröte nicht. Ich habe Mut genug, einem Mann zu sagen, daß er mir gefällt.« Sie wischte sich über das Gesicht, aber so vorsichtig, daß ihr Make-up nicht darunter litt. »Sagen wir also: vorbei! Es ist doch endgültig?«
»Ja, Sonja. Endgültig.«
»Und wer ist die ungeheuer Glückliche?«
»Margit Bernhardt.«
»Die Tochter von Baurat Bernhardt?«
»Ja.«
»Gratuliere. Da kann ich als konkursverdächtige Fabrikantin nicht mithalten.« Sonja erhob sich abrupt, ihre Stimme nahm einen bissigen Ton an. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Klaus. Aber ich möchte nicht versäumen, Ihnen einen alten Reiterspruch mit auf den Weg zu geben: Vom Steigbügel bis zum Sattel ist noch ein weiter Weg … Auf Wiedersehen!«
Klaus Blankers schwieg. Er begleitete Sonja Richartz bis zum Fahrstuhl. Erst als die Kabine nach oben brummte, sprach er wieder und hielt Sonjas Hand fest.
»Ich möchte nicht, daß wir in Unfrieden scheiden«, sagte er. »Über das Geschäftliche bleiben wir doch miteinander verbunden.«
»Sie wollen meine Fabrik übernehmen?«
»Ich möchte Sie beraten«, erwiderte Blankers ausweichend.
»Danke.« Sie riß die Fahrstuhltür auf und drückte mit zitterndem Finger auf den Fahrknopf Erdgeschoß. »Ihre Worte werden bestimmt meine Gläubiger überzeugen.« Da Blankers die Tür aufhielt, fuhr der Fahrstuhl nicht. Mit flimmernden Augen sah Sonja ihn an. »Was hat dieses Mädchen, was ich nicht hätte?« fragte sie fast zischend. »Jugend, mein Bester, ist nicht ein Kapital, auf das man bauen sollte. Jugend vergeht sehr schnell. Und sonst? Seit wann wissen Sie denn überhaupt, daß Sie heiraten wollen?«
»Seit einer Woche. Es war ein spontaner Entschluß.«
»Ach!« Die Augen Sonjas wurden wieder groß und rund. »Ein spontaner Entschluß? Ein Blitzschlag, ein Feuer, eine alles zerfressende Glut …« Sie lachte plötzlich und streichelte Blankers über die Wange. Ihre Hand duftete nach herben Rosen. »Wir sollten noch einmal darüber sprechen, ja? In zwei Wochen oder in drei. Mein lieber Klaus, Sie mögen ein geschäftliches Genie sein – in der Liebe sind Sie noch ein Schnullerbaby.«
Sie riß die Tür zu, summend glitt die Kabine nach unten.
Verwirrt starrte ihr Blankers durch die Drahtglasscheibe nach. Er hatte das Gefühl, daß noch einige Komplikationen auf ihn zukommen würden.
*
Wie sie aus dem stinkenden Hof wieder herausgekommen war, wußte Margit Bernhardt später nicht mehr zu sagen. Ob sie durch das Lokal gegangen war oder durch eine Tür in der Hofmauer, sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Sie wußte nur eins: Er hat mich geschlagen, ich bin umgesunken. Er hat mich so geschlagen, daß ich blute, aus einer Platzwunde an der Stirn. Er hat mich geschlagen wie ein Stück Vieh … geschlagen … er, dem ich alles gegeben habe, was ein Mädchen einem Mann geben kann. Er hat mich geschlagen!
Ihre Gedanken entwirrten sich erst wieder, als sie auf einer Mole im Hafen stand und das ölige Wasser zu ihren Füßen träge gegen die Steine schlug. Um sie herum war tiefe Dunkelheit. Seitlich von ihr ankerte ein Frachter. Auch er war dunkel bis auf die Positionslichter. Vor ihr dehnte sich
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