Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Augen.
    »Wann habe ich diese Vollmacht unterschrieben?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Das Datum steht sicherlich auf dem Dokument.«
    »Natürlich steht es drauf! Aber es wäre mir nie eingefallen, so etwas zu diktieren, geschweige zu unterschreiben!«
    »Aber Sie haben es mir so diktiert, und ich habe Ihnen die Vollmacht in der Unterschriftsmappe vorgelegt, zusammen mit anderen Briefen.«
    Blankers preßte die Lippen zusammen. Das glatte, höfliche, untertänige Gesicht Pommers ekelte ihn plötzlich an, und er wußte nicht einmal, warum. Pommer war ein geschäftliches Genie, er war erfolgreich, er hatte dem Werk Millionenaufträge verschafft, und die Unterschrift unter dem Dokument war ohne Zweifel echt. Und doch ahnte Blankers in diesen Minuten, wie alles gewesen war: Ein Berg von Briefen, Pommer stand hinter ihm, legte ihm Brief nach Brief vor, und er, Blankers unterschrieb routinemäßig alles, im Vertrauen darauf, daß alles in Ordnung sei. Auch die Vollmacht, ohne sie durchzulesen, im Glauben, auch das sei ein Brief. Nur so konnte es gewesen sein, so und nicht anders. Ein übler Trick, mit dem man sein Vertrauen ausgenutzt hatte. Aber wer konnte es Pommer jetzt noch beweisen?
    »Wo haben Sie das Original, Pommer?« fragte Blankers. Zum erstenmal nannte er Pommer nicht ›Herr‹, sondern einfach beim Namen.
    »In meiner Brieftasche.« Pommer holte die Vollmacht heraus, entfaltete sie und übergab sie Blankers. Noch einmal las Blankers sie durch:
    »… ernenne ich hiermit Herrn Fred Pommer zu meinem Generalbevollmächtigten. Seine Unterschriften und Anordnungen sind so zu betrachten, als seien sie von mir gegeben …«
    Ganz langsam, als bereite es ihm eine große Wonne, zerriß Blankers die Vollmacht und warf sie in den Papierkorb. Steif stand Pommer daneben, wortlos, mit einem traurigen, verschleierten Blick, als gehe für ihn die Welt voll Sonnenschein zugrunde. In seinem Innern aber fiel in dieser Sekunde, als Blankers' Finger den ersten Riß vollführten, eine schreckliche Entscheidung: Das Todesurteil für den Chef.
    »Nun bin ich ja wieder da, mein lieber Pommer«, sagte Blankers betont gemütlich und setzte sich. »Und ich fühle mich gesund wie noch nie. Wozu bedarf es da dieser Vollmacht, nicht wahr? Ich möchte böses Blut in der Firma vermeiden, verstehen Sie? Sie bleiben deshalb doch meine ›rechte Hand‹, wie man so sagt.«
    Pommer nickte. Er erweckte den Anschein eines völlig gebrochenen, zu Unrecht böse behandelten Mannes, der seine Enttäuschung über die perfide Menschheit nicht mehr verbergen kann. Mit gesenktem Kopf verließ er das Chefbüro.
    Aber in seinem eigenen Büro griff er sofort zum Telefon und wählte die Privatnummer von Blankers.
    »Hier ist dein Schätzchen«, sagte er mit ekelhafter Süße, als der Diener an Margit weitergegeben hatte. »Ich komme in einer Stunde zu dir hinaus. Küßchen, mein Süßes!«
    Er wartete Margits Antwort gar nicht ab, sondern legte auf.
    Die letzte Runde, dachte er und steckte sich eine Zigarette an. Fünfundvierzigtausend Fränkli liegen für einen gewissen Herrn Freddeli auf einer Züricher Bank. Aber das genügt nicht für den langen Lebensabend. Es müßte eine runde Summe sein.
    Pommer sah auf seine Uhr, holte den Mantel aus dem Schrank und verließ das Verwaltungsgebäude. Von seinem Fenster aus sah ihn Blankers abfahren. Irgendwie tat ihm Pommer leid. Er war begabt, aber haltlos. War er ein Opfer seiner Umwelt?
    Die Sekretärin trat nach einem kurzen Anklopfen ein, den Stenoblock unter dem Arm.
    »Die Herren warten im Konferenzzimmer, Herr Blankers.«
    Blankers nickte. Die Sonderkonferenz. Das Loch in der Geheimhaltung. Pommer wollte es belegen, aber nun war er weg. Man mußte ein anderes Thema nehmen. Vielleicht: Welche Chancen haben wir auf dem vorderasiatischen Markt, vor allem bei den Türken …
    »Ich komme!« sagte Blankers laut. »Bitte, sorgen Sie für ein paar gute Flaschen Wein, Fräulein Heinen.«
    *
    Es war unmöglich, Pommer auszuweichen, das erkannte Margit, als sie, mit Energie geladen, auf ihn wartete. Sie wollte ihm auch nicht mehr ausweichen. Sie wollte einen Schlußstrich ziehen unter alles, was Vergangenheit war. So wie Blankers ein neues Leben geschenkt bekommen hatte, so wollte auch sie von vorn anfangen.
    Mit Ehrlichkeit gegenüber ihrem Mann, mit einer Abrechnung gegenüber Fred Pommer.
    Angst hatte sie nicht. Baurat Bernhardt war gekommen, um mit seiner Enkelin zu spielen. Lisa, Margits Mutter, lag mit einer

Weitere Kostenlose Bücher