Nacht der Versuchung
Grippe im Bett. Der Diener war im Haus, im Garten kehrte der Gärtner die Wege vom Schnee frei. Es waren genug Männer um sie herum, die ihr helfen würden, wenn sie um Hilfe rufen sollte.
Von weit her, durch mehrere Türen, hörte sie leise die Haustürklingel. Dann ein Stimmengemurmel, der Diener trat ein, auf dem Tablett eine Visitenkarte. »Ich weiß«, sagte Margit und nahm die Karte nicht auf. »Herr Pommer. Führen Sie ihn herein und sagen Sie meinem Vater, daß ich Besuch habe.«
»Sehr wohl, gnädige Frau.« Der Diener entfernte sich, ließ die Visitenkarte von dem Tablett in einen Papierkorb rutschen und führte dann Fred Pommer in die Bibliothek. Niemand hörte, daß im gleichen Augenblick, rein zufällig, durch die andere Tür vom Eßzimmer aus Baurat Bernhardt die Bibliothek betrat. Als er Pommer bemerkte, stellte er sich hinter eines der freistehenden Bücherregale und rührte sich nicht. Allein schon die Begrüßung, die er hörte, ließ ihm den Atem stocken.
»Guten Tag, mein Häschen«, sagte Pommer und reichte Margit die Hand hin. Sie übersah es, wandte sich ab und ging hinter den Sessel, so eine deutliche Schranke zwischen sich und Pommer aufrichtend.
»Was willst du?« fragte sie hart. »Ehe du anfängst, deine Sprüche herzusagen: Das hier ist unsere letzte Begegnung! Ich habe sie fast herbeigewünscht. Darum bist du auch vorgelassen worden.«
»Zu gütig, Prinzeßchen.« Pommer setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Auch ich hoffe, heute zum letztenmal hier zu sein.«
Margit sah Pommer fragend an. »Das ist etwas ganz Neues. Willst du auswandern?«
»Erraten, Süßes. Nein, nein, wirklich, es ist kein Scherz. Ich habe die Absicht, meine Zelte in Deutschland abzubauen. Es drängt mich nach Süden. Nur – es soll ein Abgang in allen Ehren sein, mit einem gesicherten Alter.«
»Das alte Lied! Geld!« Margit lächelte böse. »Geh zu meinem Mann, pumpe ihn an.«
»Es ist jetzt nicht die Zeit, mein Häschen, uns in dieser Form zu unterhalten. Die Sache ist zu ernst, zu dringend und zu hautnah, als daß wir uns in Wortgeplänkel verlieren könnten. Dein Mann hat mir das Vertrauen entzogen. Ich nehme an, daß Dr. Preußig dahintersteckt. Um gegen ihn zu kämpfen, bin ich – ehrlich gesagt – zu faul. Außerdem habe ich es nicht nötig, denn ich habe ja dich.«
»Du hast gar nichts mehr! Ich werde heute den Schlußstrich ziehen!«
»Ach!« Pommer legte die Hände übereinander, als säße er in einem amüsanten Theaterstück. »Sei bitte nicht so impulsiv, so sehr ich dein Temperament auf anderer Basis schätze …«
»Du Schwein!« sagte Margit gepreßt.
»Dein Mann ist noch nicht wieder voll hergestellt. Ihm reichte es schon, als er entdecken mußte, daß mit der Generalvollmacht nicht alles astrein war. Nur das wie, das weiß er noch nicht. Und nun willst du ihm verraten, was einmal zwischen uns gewesen ist. Mein Süßes, das wird ihm einen Schock geben, der sein ohnehin strapaziertes Hirn erneut durchschüttelt.«
»Was willst du?« fragte Margit heiser. Sie wußte, wie recht Pommer hatte. Ein Geständnis in dieser Zeit war zu früh. Klaus Blankers würde es nie überwinden können.
»Ich brauche, wie gesagt, eine Sicherheit. Mein Plan ist simpel, meine Beste. Dein Mann galt einige Wochen lang für tot, du warst als Alleinerbin der Werke ausersehen. In dieser Zeit hast du mir schriftlich dein vollstes Vertrauen ausgesprochen, und zwar in einem Brief, in dem steht, daß ›nach dem tragischen Tode meines Mannes Herr Fred Pommer als mein alleiniger Bevollmächtigter meine Interessen vertritt. Da ich überzeugt bin, daß mein Mann nicht mehr lebt, tritt diese Vollmacht ab sofort in Kraft. Ferner beteilige ich Herrn Pommer mit zehn Prozent am Reingewinn aller meiner Firmen …‹ und so weiter. In einem zweiten Schrieb übergibst du mir als Anzahlung der Gewinnausschüttung sechzigtausend Mark – steuerfrei.« Pommer entfaltete die beiden Papiere und legte sie auf den Tisch vor sich. »Deine Unterschriften, mein Kleines, und in drei Tagen ist der gute Fred Pommer für immer aus deinem Leben verschwunden.«
Margits Augen funkelten, ihr Gesicht war bleich und steinern geworden. »Das unterschreibe ich nie!« sagte sie laut. »Ich habe nie geglaubt, daß Klaus tot ist! Und was nützen dir übrigens diese Briefe? Klaus lebt, sie sind, selbst wenn sie echt wären, damit hinfällig.«
»Streng juristisch natürlich. Aber man muß Köpfchen haben, Kleines.« Pommer lächelte
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