Nacht der Versuchung
arroganter, überheblicher, altmodischer, moralistischer Griesgram, der noch im Mittelalter lebt. Hör zu, Mariella, ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Gib Fleur einen dicken Kuss von mir!”
Tanya beendete das Gespräch, ehe Mariella es verhindern konnte. Aber wenigstens hatte sie jetzt die Bestätigung, dass Xavier nicht Fleurs Vater war. Mariella konnte sich nun mit den Nachrichten auf dem Anrufbeantworter beschäftigen. Prinz Sayid war inzwischen nach Zuran zurückgekehrt und wünschte, dass sie sich mit seinem persönlichen Assistenten in Verbindung setzte.
Der beruhigte sie erst einmal, als sie ihn kurz darauf anrief, um ihm zu erklären, warum sie seine bisherigen Anrufe nicht beantwortet hatte. “Keine Sorge, es geht lediglich darum, dass der Prinz morgen früh in den Stallungen ein Wohltätigkeitsfrühstück veranstaltet und Sie dazu einladen möchte. Seine Hoheit ist sehr begeistert von seinem Vorhaben, die Pferde malen zu lassen, aber das werden Sie natürlich zu einem späteren Zeitpunkt im Detail mit ihm besprechen. Bei dem Frühstück handelt es sich um eine sehr exklusive Veranstaltung mit entsprechend eleganter Kleidung, wobei wir unsere Gäste jedoch bitten, auf starke Parfüms zu verzichten, weil die Pferde darauf empfindlich reagieren könnten.”
“Ich komme sehr gern”, antwortete Mariella. “Allerdings gibt es da ein kleines Problem. Wie der Prinz ja bereits weiß, habe ich meine vier Monate alte Nichte nach Zuran mitgebracht, weil ich sie augenblicklich für meine Schwester betreue, und …”
“Das ist überhaupt kein Problem”, versicherte der persönliche Assistent ihr sofort. “Es ist selbstverständlich für eine Kinderkrippe mit bestens ausgebildeten Kindermädchen gesorgt. Und natürlich wird ein Wagen mit Chauffeur Sie und das Baby abholen.”
Mariella hatte auf Einladung verschiedener Auftraggeber bereits einige glamouröse gesellschaftliche Veranstaltungen besucht, darunter eine besonders luxuriöse Reise nach Frankreich zum Hauptrennen der Rennsaison in Longchamps. Das war ein Geschenk von einem begeisterten Klienten gewesen, wofür sie sich wiederum mit einer Überraschungsskizze von seiner vierjährigen Tochter auf ihrem Pony bedankt hatte. Wenn sie sich jetzt erinnerte, wie elegant und exklusiv gerade die Gäste aus dem Nahen Osten damals gekleidet gewesen waren, räumte sie die Notwendigkeit ein, vielleicht noch das eine oder andere Teil einkaufen zu müssen.
Zwei Stunden später genoss Mariella einen Kaffee in dem vornehmen Designer-Einkaufscenter von Zuran und betrachtete zufrieden, aber nicht ohne Gewissensbisse ihre Sammlung von Hochglanz-Einkaufstaschen. Die größte trug allerdings nicht den Namen irgendeines berühmten Designers, sondern das Logo eines exklusiven Babybekleidungsgeschäfts. Mariella hatte sich einfach nicht zwischen zwei niedlichen Ensembles für Fleur entscheiden können und schließlich beide gekauft. Für sich selbst hatte sie es dann bei einigen Accessoires belassen … allerdings sündhaft teuer und betont feminin: ein gewagter Hut, der sicher die Blicke auf sich ziehen würde, irrwitzig hohe, aber absolut unwiderstehliche Sandaletten in dem gleichen Türkisblau wie das Seidenkleid, das sie auf dem Wohltätigkeitsfrühstück anziehen wollte, und eine Handtasche in derselben Farbe, auf der sehr dekorativ mit Perlen und Pailletten ein galoppierendes Pferd gestickt war.
Das Beste aber war, dass sie die ganze Zeit nicht an Xavier gedacht hatte … oder jedenfalls so gut wie gar nicht! Wenn sie an ihn dachte, hatte sie sich lediglich ins Gedächtnis gerufen, was für ein Schuft er war und dass sie einem Moment ganz untypischer Schwäche nachgegeben hatte, was niemals wieder vorkommen würde. Sie würde nie zulassen, dass ein Mann sie verletzte. Nicht umsonst hatte sie das Beispiel ihres Vaters vor Augen, dessen niederträchtiges Verhalten sie daran erinnerte, wie gefährlich es war, sich zu verlieben. Schon gar in einen Mann, der sich derart mies benommen hatte wie Xavier!
Mariella trank ihren Kaffee aus, vergewisserte sich, dass Fleur in ihrem Buggy sicher angeschnallt war, und ging dann zum Taxistand. Es war ein langer Tag gewesen. Restlos aufgewühlt, hatte sie in der vorangegangenen Nacht kaum geschlafen und die meiste Zeit in Xaviers Bett wach gelegen. Und heute früh hatte sie dann die lange Fahrt zurück nach Zuran City hinter sich gebracht, nachdem ihre Stoßgebete erhört worden waren und der Sturm sich verzogen hatte. Auch wenn
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