Nacht der Versuchung
heiraten. Und dann …“
„Heiraten? Nein!“ wehrte sie heftig ab und sah ihn voller Panik an. „Ich werde nicht heiraten, Xavier. Niemals. Als meine Mutter meinen Vater heiratete, glaubte sie, er liebe sie und dass sie ihm vertrauen und sich auf ihn verlassen könne. Das war ein Fehler. Er verließ sie. Er verließ uns beide, weil er mich nicht wollte!“
All die aufgestauten Gefühle, all der tief vergrabene Schmerz, drängten plötzlich mit Macht an die Oberfläche. Und sosehr Mariella sich auch bemühte, es zu leugnen, tief in ihrem Innern wusste sie doch, wie sehr sie sich in Wirklichkeit danach sehnte, dass Xavier zu ihr und zu ihrem Baby stehen würde. Wie sehr sie sich nach seiner Liebe sehnte. Sie wollte, dass er sie einfach nur in die Arme nahm und sie sich bei ihm sicher fühlen konnte, aber ihr Selbstschutz trieb sie dazu, diese Gefühle zu verleugnen.
„Ich bin nicht dein Vater, Mariella, und was mein Kind betrifft …“ Xavier presste die Lippen zusammen. „In Zuran haben die Rechte des Vaters Vorrang. Ich könnte legal dafür sorgen, dass du das Land mit meinem Kind nicht verlassen kannst … weder vor noch nach seiner Geburt!“
„Warum tust du mir das an?“ fragte Mariella verzweifelt. „Deine eigene Großtante hat mir doch gesagt, dass du geschworen hast, nie zu heiraten oder Kinder zu haben … dass du nie eine Frau oder Kinder haben wolltest.“
„Nein, das stimmt so nicht“, widersprach er. „Wahr ist, dass ich mich entschlossen hatte, nicht zu heiraten, aber nicht, weil ich keine … Nun, der Grund ist, dass ich glaubte, nie eine Frau finden zu können, die mich bedingungslos und leidenschaftlich genug liebt, um meine Art zu leben und meine Verantwortung gegenüber meinem Stamm zu verstehen und zu akzeptieren. Ich dachte, so eine Frau gäbe es nicht.“
„Und deshalb … und weil ich mit deinem Kind schwanger bin, bist du bereit, mich zu heiraten? Das kann ich nicht tun, Xavier. Und ich werde es nicht tun. Ich werde nicht nur wegen des Kindes heiraten.“ Ihre Stimme zitterte, und zu ihrem Entsetzen konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Hilflos schlug sie die Hände vors Gesicht. Wahrscheinlich lag es an der Schwangerschaft, dass sie so empfindlich und verletzlich war.
„Mariella!“ Sie erstarrte, als Xavier sie in die Arme nahm und an sich zog. „Nicht!“ bat er heiser. „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dich und mein Kind, die beiden Menschen, die ich am meisten liebe, zu verlieren, aber ich kann es auch nicht ertragen, dich gegen deinen Willen gezwungen zu haben, bei mir zu bleiben. Als du zu mir in die Oase gekommen bist und dich mir hingegeben hast … war es, als hättest du mir in die Seele geblickt. Als hättest du meine Gedanken, meine Gefühle gelesen und gewusst, wie sehr ich mich danach gesehnt hatte, mit dir zusammen zu sein. Ich hatte nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, mich dir zu nähern und dir meine Gefühle zu gestehen. Ich wusste von deinem Vater und wollte erst dein Vertrauen gewinnen, bevor ich dich fragte, ob du mein Leben mit mir teilen wolltest. Ich wusste, dass du ein Mensch mit einem starken Pflicht- und Verantwortungsgefühl bist und dass das Schicksal meines Stammes in deinen Händen gut aufgehoben wäre. Ich dachte, dass wir beide zusammen … aber ich habe mich geirrt, das hast du mir jetzt sehr deutlich gemacht. Du hast mich nicht geliebt, hast mich nicht einmal begehrt … du wolltest nur einen Erzeuger für dein Kind.“
Er atmete tief ein. „Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mir wünsche, dich und das Kind hier bei mir zu haben. Aber ich kann es auch nicht ertragen, dich so unglücklich zu sehen. Wenn du willst, lasse ich deshalb alles für deine Rückkehr nach England vorbereiten. Doch ich möchte dich bitten, dass du mir erlaubst, wenigstens eine kleine Rolle im Leben unseres Kindes zu spielen. Ich werde natürlich finanziell für euch beide sorgen … das ist nicht nur meine Pflicht, sondern auch mein Recht. Darüber hinaus möchte ich aber wenigstens einmal im Jahr mein Kind sehen und etwas Zeit mit ihm verbringen. Wenn nötig, komme ich dafür auch nach England und …“
Mariella hatte Mühe, das Gehörte zu begreifen. Xavier wollte sie. Xavier liebte sie. Er liebte sie sogar so sehr, dass er bereit war, ihre Wünsche und Bedürfnisse über seine zu stellen. Ein ganz neues, warmes Glücksgefühl breitete sich in ihr aus und schmolz die Eiseskälte aus Misstrauen und Schmerz, die ihr Herz umgeben
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