Nacht der Versuchung
Traum von einem Kleid dafür gekauft. Was wirst du denn anziehen? Wenn du noch nichts Passendes hast, können wir einen Einkaufsbummel machen …“
„Nein, schon gut, ich habe ein geeignetes Outfit“, wehrte Mariella rasch ab. Insgeheim war sie froh, dass Kate darauf bestanden hatte, noch in England mit ihr einkaufen zu gehen, um als ihre Agentin sicherzugehen, dass sie zu diesem großen Anlass auch genügend Eindruck machen würde. Auch wenn der Babybauch noch kaum zu sehen war, bei einem Einkaufsbummel mit Tanya wäre das Risiko groß gewesen, dass beim Anprobieren der Kleider jemand, der ihr so nahe stand wie ihre Schwester, die Veränderung ihres Körpers bemerkt haben würde.
Irgendwann würde sie Tanya natürlich von dem Baby erzählen … aber erst, wenn sie wieder sicher in England war und alle Fragen zu dem Vater am Telefon beantworten konnte, anstatt ihrer Schwester dabei in die Augen sehen zu müssen. Sie hatte sich bereits genau überlegt, was sie Tanya dann sagen würde. Um jeglichen Problemen vorzubeugen, würde sie behaupten, das Kind sei das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung, wobei der Vater ein anonymer Spender einer Samenbank sei.
Der Wagen näherte sich jetzt auf dem Highway dem Stadtrand von Zuran City. „Wie weit ist es zu eurer neuen Villa, Tanya?“ fragte Mariella. Sie hatte die Villa, die Khalid für seine junge Familie gekauft hatte, natürlich noch nicht in Augenschein nehmen können, aber Tanya hatte ihr in zahllosen E-Mails davon vorgeschwärmt.
„Ach, sie ist nur einige Meilen von Xaviers entfernt, ein Stück die Küste hinauf. Ich freue mich jetzt wirklich darauf, endlich einzuziehen, obwohl ich mir ein bisschen Sorgen mache, wie Fleur sich umgewöhnen wird. Sie hängt sehr an Hera und fühlte sich in Xaviers Villa zu Hause.“
„Was soll das heißen, du freust dich darauf?“ fragte Mariella aufhorchend. „Ich dachte, du wärst bereits umgezogen!“
„Na ja, das war auch so geplant, aber einige Möbel sind nicht pünktlich geliefert worden, deshalb wohnen wir immer noch bei Xavier. Und im Moment ist auch seine Großtante zu Besuch. Anders als ich, hast du bei ihr einen Stein im Brett … sie singt dein Lob in den höchsten Tönen.“
Kalte Panik beschlich Mariella. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Sie war nicht darauf vorbereitet! Doch Xaviers Villa tauchte bereits vor ihnen auf. Es war zu spät, es sich noch anders zu überlegen und zu verlangen, dass man sie in ein Hotel in der City brachte. Die Limousine passierte bereits die hohen Tore und fuhr vor der Villa vor.
„Ali kümmert sich um dein Gepäck“, sagte Tanya, nachdem sie beide ausgestiegen waren.
Doch, seltsam, in dem Moment, da Mariella die elegante, kühle Villa betrat, empfand sie keineswegs Angst oder Unbehagen, sondern eine wohltuende Vertrautheit … als käme sie nach Hause!
„Am besten gehen wir gleich zu Tante Cecille.“ Tanya verzog das Gesicht. „Andernfalls muss ich mir endlose Vorhaltungen anhören. Sie hat sogar in der Küche Anweisung gegeben, extra für dich Madeleines zu backen!“
Mariella schluckte gerührt. Das Letzte, was sie jetzt wollte und brauchte, war die Erinnerung daran, dass sie außer Tanya und Fleur keine Familie besaß, während Xavier Teil eines großen Familienverbandes war, wo jeder Anteil am Leben der anderen nahm. Unwillkürlich kam ihr der verräterische Gedanke, wie es wohl für ein Kind sein würde, in einem Haushalt voller liebevoller Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen aufzuwachsen.
„Ach Mariella, ich bin ja so froh, dass du gekommen bist!“ Tanya drückte sie an sich. „Ich habe dich richtig vermisst! Du bist in demselben Zimmer untergebracht, in dem du schon einmal gewohnt hast. Xavier hat Khalid und mir für die Dauer unseres Aufenthalts in seiner Villa eine eigene Suite überlassen. Khalid hätte sich auf keinen Fall einverstanden erklärt, dass wir, wie es früher Tradition war, in getrennten Bereichen für Männer und Frauen gewohnt hätten. Und ich auch nicht!“ Tanya erschauderte sichtlich. „Ich könnte nie wie Xavier hingehen und mit dem Stamm durch die Wüste ziehen! Allein der Gedanke entsetzt mich. All der Sand … und die Hitze! Und erst die Kamele!“ Sie verzog das Gesicht. „Glücklicherweise denkt Khalid genauso. Er kann genauso wenig wie ich verstehen, warum Xavier sein Leben von ein paar alten Versprechen bestimmen lässt, die sein Großvater gemacht hat. Wenn Khalid das Familienoberhaupt wäre, würden viele Dinge
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