Nacht des Begehrens - Cole, K: Nacht des Begehrens
beherrschte, auch wenn seine Version seit über hundert Jahren veraltet war.
Während er ihre Sachen durchwühlte, hörte er sich die unbekannten Sprachmuster und das neue Vokabular an und prägte es sich im Nu ein. Er lernte schnell. Das war eine Begabung der Lykae: die Fähigkeit, sich anzupassen, rasch neue Sprachen, Dialekte und gebräuchliche Wörter aufzuschnappen. Es war ein Überlebensmechanismus. Sein Instinkt befahl: Pass dich an. Lerne alles. Achte auf jede Einzelheit. Oder stirb.
Er untersuchte ihre Besitztümer. Vor allem natürlich die in der Schublade mit der Seide. Die Unterwäsche in dieser Zeit bedeckte bedeutend weniger und war der von früher darum eindeutig vorzuziehen. Er malte sich aus, wie sie in jedem einzelnen aufwändig gearbeiteten Stückchen Seide aussehen würde, wie er sie ihr in Fetzen vom Körper beißen würde, auch wenn ihn einige Stücke verwirrten. Als ihm klar wurde, wohin das zarte Band gehörte und er es sich an ihr vorstellte, stöhnte er auf und wäre fast in seiner Hose gekommen.
Dann ging er zum Schrank und untersuchte ihre seltsamen Kleidungsstücke. So viele davon waren in roter Farbe, und so viele von ihnen bedeckten diverse Körperteile kaum oder nur unzureichend. Einige unter ihnen waren so geschnitten, dass der Vampir in ihnen unmöglich das Zimmer verlassen konnte.
Schließlich leerte er die Umhängetasche, die sie gestern Abend bei sich gehabt hatte, auf dem Boden aus, wobei er merkte, dass das Leder ruiniert war. In dem feuchten Haufen entdeckte er einen neumodischen Apparat in Silber, mit Zahlen darauf, die denen auf de m – er runzelte die Stir n – Telefon glichen. Er schüttelte ihn. Als Wasser herauslief, warf er ihn über die Schulter.
In einem kleinen Lederetui befand sich eine gehärtete Karte, auf der zu lesen war, dass es sich um eine Fahrerlaubnis aus Louisiana handelte.
Vampire in Louisiana? Unerhört!
Auf der harten Karte stand ihr Name: Emmaline Troy. Er hielt einen Augenblick inne, dachte an all die Jahre zurück, in der er darum gebetet hatte, wenigstens ihren Namen zu kennen, einen bloßen Hinweis, wie er seine Gefährtin finden könnte. Er runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern, ob er dem Vampir in der vergangenen wirren Nacht seinen eigenen Namen genannt hatt e …
Ihre Größe war mit einem Meter fünfundsechzig und ihr Gewicht mit zweiundfünfzig Kilo angegebe n – nicht mal klitschnass könnte sie das je erreichen ! – und ihre Augen als blau. Das Wort blau war viel zu schwach, um diese Farbe zu beschreiben.
Es gab auch eine kleine Abbildung von ihr, wie sie schüchtern lächelte, ihr Haar so geflochten, dass es ihre Ohren bedeckte. Die Abbildung selbst war erstaunlich, aber zugleich auch verwirrend. Sie sah wie eine Daguerrotypie aus, war aber in Farbe . Es gab so verdammt viel, was er noch lernen musste.
Als ihr Geburtsdatum war das Jahr 1982 angegeben. Er wusste, dass das nicht stimmte. Physiologisch war sie nicht älter als Anfang zwanzig, für alle Ewigkeit zu dem Zeitpunkt eingefroren, an dem sie am stärksten war und am besten in der Lage, lange zu überleben, doch chronologisch musste sie weitaus älter sein. Die meisten Vampire waren schon vor Jahrhunderten entstanden.
Warum zum Teufel sollten diese Blutegel in Louisiana sein? Hatten sie jetzt auch die Welt außerhalb Europas erobert? Und wenn das der Fall war, was war dann mit seinem Clan geschehen?
Bei dem Gedanken an den Clan sah er zu dem Vampir hinüber, der still und steif wie eine Leiche dalag und schlief. Wenn sie seine Gefährtin sein sollte, müsste sie auch seine Königin sein und über Lachlains Art herrschen. Unmöglich. Der Clan würde sie bei der ersten Gelegenheit in Stücke reißen. Lykae und Vampire waren von Natur aus Feinde, und das seit dem ersten nebulösen Chaos der Mythenwelt.
Blutfeinde. Das war der Grund, weshalb er seine Aufmerksamkeit ungeduldig wieder ihren Sachen zuwandte: um den Feind besser kennenzulernen. Nicht etwa, weil er neugierig war, mehr über den Vampir zu erfahren.
Er öffnete ein dünnes blaues Büchlei n – ihren Pas s – , in dem er eine andere Abbildung mit einem anderen Lächeln entdeckte, das etwas gequält wirkte. Dann fand er eine „Medizinische Notfallkarte“, auf der angegeben war, dass sie eine „Sonnenallergie“ habe und unter „extremer Photosensibilität“ leide.
Während er noch darüber nachgrübelte, ob es sich bei dieser Karte um einen Scherz handelte, zog er eine „Kreditkarte“
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