Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
Vom Netzwerk:
nicht tat, tat es ein anderer, und die Gefahr war groß, dass das Kreuz durch die Sichel des Halbmondes ersetzt wurde. Seine Mutter hatte immer nur milde gelächelt, wenn sein Vater von den Ungläubigen erzählt hatte.
    Den Kopf hatte sie ihm gestreichelt, wenn der Vater seine Geschichten erzählte, und bald darauf war aller Schmerz vergessen. Ja, vergessen. Das war es, was sich Giordano wünschte: vergessen, wo er war, nichts mehr spüren, in die Unendlichkeit entschweben.
    Er merkte, wie ihn alle Kräfte verließen. Er spürte den Urin seine Oberschenkel hinuntertropfen. Sein Darm entleerte sich.
    Bellarmin kniete nieder und beugte sich ganz nahe an Giordanos Ohr. „Widerrufe, Bruder Giordano, sonst kann dir auch Gott der Allmächtige nicht mehr helfen“, flüsterte er. Dem Gefolterten war es, als hätte er ihm den Satz ins Gehirn gehämmert. Jedes Wort spürte er, als wäre es mit einer glühenden Nadel durch den Gehörgang direkt in seinen Kopf gestochen worden. Als Giordano nicht reagierte, stand der Kardinal mit einer resignierenden Handbewegung auf und gab den Weg frei für die glühende Zange.
    Er drehte sich um und verließ mit gesenktem Kopf den Folterraum. Er sah nicht, wie die glühende Zange Giordanos Brustwarzen verkohlte. Er sah nicht, wie seine Genitalien verstümmelt wurden und wie Giordano endlich in eine erlösende Ohnmacht fiel.

Kapitel 20
     
    Beccaria warf dem Jungen ein paar Silbermünzen hin und bedeutete ihm mit einer abfälligen Handbewegung zu verschwinden. Er wollte den Rest der Nacht allein verbringen. Das helle Seidenlaken war kot- und blutverschmiert. Den Ordensgeneral fröstelte. Der Herbst war in die Stadt gezogen, und Rom wusste noch nichts von den segensreichen Erfindungen, die oben im Norden, in Deutschland, den Menschen Glasscheiben in den Fenstern bescherte. Die Tücher hielten die feuchte Kälte nicht ab, und seit einigen Tagen ließ er die Öfen beheizen. Beccaria wollte ein Bad nehmen. Sein kleiner, behäbiger Körper, der eben noch flink und behende zu Gange gewesen war, fühlte sich nun träge und schwer an. Der Geistliche musste sich reinigen. Der Geschmack des Spermas des Knaben wurde mit einem kräftigen Schluck Rotwein verdrängt. Es ekelte ihn vor sich selbst, wie jedes Mal, wenn er seiner Lust nachgegeben hatte, wohl wissend, dass er das ihm Verbotene immer und immer wieder tun würde.
    Der Ketzer muss brennen. Kein Ränkespiel mehr. Bellarmin sollte keine Chance mehr haben, ihn doch noch zum Widerruf zu bekehren. Papst Clemens hatte ihn schon seit Monaten nicht mehr empfangen, ein sicheres Zeichen, dass er nicht sehr hoch in seiner Gunst stand. Beccaria streichelte die Katze, die sich auf seinen nackten Bauch gelegt hatte. Nein, der Ketzer würde auch unter der Folter nicht seinen frevlerischen Gedanken abschwören. Mit einer raschen Bewegung warf er die Katze auf dem Boden, so dass sie laut aufschrie. Um den Kardinal beim Papst anzuschwärzen, musste er sich etwas ganz anderes einfallen lassen. Der Ketzer taugte nicht mehr dazu. Für den Ordensgeneral war er bereits jetzt ein Häufchen Asche. Nicht mehr wert, daran einen Gedanken zu verschwenden. Ein wohliger Schauder durchfuhr ihn, als er in die mit heißem Wasser gefüllte Wanne stieg. Einer seiner Diener rieb ihm mit einem Schwamm den Rücken ab, der andere reichte ihm einen Zinnkrug mit Wein. Die kreisende Bewegung des Dieners erregte ihn. Sein Glied wurde wieder steif. Der Diener massierte seinen Nacken, kräftig, so wie er es mochte. Morgen schon würde er Bellarmin in die Enge treiben. Der Ketzer musste brennen. Da gab es keinen Ausweg mehr. Beccaria stöhnte laut auf.
    „Genug.“ Mit einer kurzen Handbewegung beendete er die Massage. Er hatte die Wanne verlassen; und einer der Diener hieb mit einem Fichtenzweig auf seinen Rücken, um seinen Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Danach rieb er ihm den behaarten Rücken mit einer nach Lavendel duftenden Salbe ein. Ächzend richtete er sich auf. Er ließ sich noch einen Schluck Wein bringen und befahl den Dienern, sich um sein Abendessen zu kümmern. Ankleiden wollte er sich allein.
    Della Mirandola sollte ihm bei seinem Plan helfen. Bellarmin sollte keine Möglichkeit mehr haben, dem Ketzer noch eine letzte Möglichkeit des Widerrufs zu geben. Papst Clemens selbst sollte bei der letzten Sitzung dabei sein und seinen Segen über das Todesurteil über Giordano Bruno sprechen. Der Ketzer war für Beccaria wertlos geworden. Mit ihm konnte er seine Stellung

Weitere Kostenlose Bücher