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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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Vorlesungen erfasst hatte, einzudämmen. Nach einer längeren Unterredung mit seinem Gesandten de Castelnau fasste er den Entschluss, diesen auf eine Vermittlungsmission nach England zu schicken. Er sorgte sich um das Schicksal Maria Stuarts und der ihr ergebenen Katholiken und wusste, dass Castelnau ein gerngesehener Gast im St.-James-Palast war. Vielleicht gelang es ihm, Elisabeth gütig zu stimmen und die Königin dazu zu bringen, ihre Halbschwester freizulassen. Das würde die Katholiken stärken, und ein größerer Krieg in Europa, den insbesondere Spanien und der Vatikan vorbereiteten und der ihn selbst nicht nur wieder Unmengen von Geld kosten würde, sondern auch die Gefahr erneuter Aufstände der Hugenotten in seinem eigenen Land bedeutete, könnte so vielleicht verhindert werden.
    „Monsieur Bruno nehmt Ihr mit nach England“, schloss der Monarch seinen Monolog. Genial, dachte er, den bin ich los.
    „Sehr wohl, Majestät.“ De Castelnau verbeugte sich und machte sich rasch auf den Weg, um die Vorbereitungen für die Seereise in die Wege zu leiten. Er freute sich darauf und auch, dass ihm das Schicksal eine interessanten Weggefährten zugespielt hatte, und Elisabeth würde bestimmt sehr angetan von ihm sein.

Kapitel 63
     
    „Raleigh, es ist Raleigh!“
    Einige hundert Menschen standen am Kai und winkten dem einfahrenden Schiff zu. Hüte wurden in die Luft geworfen, kleine Fähnchen geschwenkt. Sir Walter Raleigh war heimgekehrt. Das Schiff, das de Castelnau und Giordano in den Hafen von Dover brachte, hatte nur etwa eine halbe Stunde früher angelegt. Die Themse führte zu wenig Wasser, und so war nicht daran zu denken gewesen, weiter flussaufwärts zu segeln. Die Matrosen waren dabei, den Zweimaster zu verstauen, und für die Fahrgäste löste sich nun das Rätsel, warum so viele zum Teil festlich gekleidete Menschen am Ufer warteten. Soldaten versuchten, die Menge im Zaum zu halten. Prächtige Kutschen warteten darauf, den engsten Vertrauten der Königin nach St. James zu bringen. Auch für den französischen Gesandten und seinen Gast stand eine Kutsche bereit, und als ihr Gepäck verstaut war, machte sich das wackelige Gefährt auf Richtung London. Zwei Wachen eskortierten die Reisenden zu Pferd. Die Stadt lag etwa eine halbe Tagesreise entfernt. Giordano hatte die Überfahrt über den Kanal sehr genossen. Hatte oft an seine Kindheit gedacht, wenn er mit dem Vater im Golf von Neapel fischen war. Nur, dass das Wasser hier nicht so blau und viel unruhiger war. Die ganze Zeit über hatte er an der Reling gestanden, versucht, den Punkt zu erkunden, von dem man das Festland nicht mehr, die Insel aber schon sehen konnte. De Castelnau hatte ihm die meiste Zeit über Gesellschaft geleistet, ihm von der Königin erzählt und davon, in welch schwieriger Situation sie sich befand. Nun war auch er von Neugier erfasst. Wie würde sich London von Paris unterscheiden? Was würde ihn erwarten? Er wollte an die Universität von Oxford. Vielleicht konnte er dort eine Vorlesung halten. Sie fuhren lange an der Themse entlang. Sattes Grün, ausgedehnte Weiden und kleine Steinhäuschen mit gepflegten Vorgärten begleiteten sie. Das Wetter war mild, der Frühling begünstigt durch das maritime Klima noch etwas weiter vorangeschritten als in Paris. In der Kutsche roch es etwas nach Schweiß und Moder. Nach etwa zwei Stunden Fahrzeit hieß de Castelnau den Kutscher an einer Taverne anhalten. Es war früher Abend, und der Gasthof war noch mäßig besetzt. Der Kutscher versorgte die Pferde mit Wasser, während sich seine Fahrgäste in der mit dunklem Holz ausgekleideten Wirtsstube einen Platz suchten. De Castelnau bestellte in perfektem Englisch zwei Gläser Bier und einen Lammeintopf, dessen Duft gegen Alkoholdunst und den Geruch abgestandenen Fetts ankämpfte. Giordano stocherte teilnahmslos in seinem Essen, dachte an neue Herausforderungen und daran, dass er durch die Ermunterungen Montaignes endlich auch den Zugang zu heiteren, ja zuweilen frivolen Stoffen gefunden hatte und er nun nach seinem Buch über den Kerzenzieher bald wieder etwas Neues schreiben wollte. Er wusste von de Castelnau, dass England trotz der ganz Europa umfassenden Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten ein liberaler Platz war und dass ein gewisser William Shakespeare eine wahre Meisterschaft entwickelt hatte, sowohl den Hochadel als auch das gemeine Volk mit seinen Komödien zu belustigen, ohne dabei die Provokation zu vergessen, die ihm

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