Nacht des Schicksals
mit einer Geste, näher zu kommen. Trotz der Entfernung konnte er sehen, wie sie die Lippen zusammenpresste. Nach kurzem Zögern gab sie jedoch nach und kam auf ihn zu.
Brodie lehnte den Rechen an die Hauswand und ging ihr über den Rasen entgegen. “Wenn du schon hier bist”, lud er sie ein, “komm doch herein, und trink etwas Kühles.”
“Nein, danke”, erwiderte sie kurz angebunden. “Wir müssen nach Hause.”
“Wozu die Eile? Gönn den Kindern einen Moment. Komm, lass mich dein Fahrrad nehmen.”
Einen Augenblick hielt sie den Lenker fest umklammert, dann seufzte sie. “Also gut, aber nur einen Moment.”
Er nahm ihr das Fahrrad ab und lehnte es an den Zaun. Dann führte er sie um das Haus in den Garten. Sie kamen gerade rechtzeitig, um Megan und Jodi im Haus verschwinden zu sehen.
Hayley schwamm allein im Pool.
“He, Hayley!”, rief Brodie.
Sie drehte sich auf den Rücken und blickte erstaunt zu ihm auf. Offenbar hatte sie nicht erwartet, eine andere Person bei ihm zu sehen. Sie blinzelte gegen die Sonne und musterte die Besucherin eindringlich. Brodie sah etwas in ihren Augen aufblitzen, das er nicht zu deuten vermochte – doch wurde ihre Miene plötzlich verschlossen.
Brodie sah sie verwundert an. Was hatte das zu bedeuten? Gewöhnlich war Hayley Fremden gegenüber freundlich und aufgeschlossen. Frauen, dachte er. Er würde sie nie verstehen. “Komm heraus, Liebes”, sagte er. “Hier ist jemand, mit dem ich dich bekannt machen möchte.”
4. KAPITEL
Das ist ja noch ein Kind, schoss es Kendra durch den Kopf, als sie die andere Frau erblickte. Sie war atemberaubend schön, mit feinen Gesichtszügen, hohen Wangenknochen, leuchtend blauen Augen und tollem braunen Haar. Sie sollte drei Kinder zur Welt gebracht haben? Unglaublich bei der Figur! Sie kletterte anmutig aus dem Pool, und Kendra konnte nicht einen einzigen Schwangerschaftsstreifen auf der sonnengebräunten Haut entdecken. Ihre Brüste waren so fest wie die einer Siebzehnjährigen.
Die “Kindfrau” strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht, schlang sich ein Handtuch um die Schultern und kam auf sie zu.
Kendra spürte Brodies Hand auf dem Rücken, als er sie mit sanftem Druck vorwärts schob. “Kendra, dies ist Hayley. Hayley, dies ist Mrs Westmore, Megans Mutter.”
“Hallo, Mrs Westmore. Nett, Sie kennenzulernen.” Hayley lächelte Kendra zurückhaltend an. Gleich darauf wurde ihr Blick eigenartig durchdringend, als würde sie sie aus einem nur ihr selbst bekannten Grund prüfen. Eine eigenartige Spannung lag plötzlich in der Luft. Ob Brodie das auch gemerkt hatte? War seine Frau gereizt, weil er eine Frau mitgebracht hatte? Tat er das häufiger?
“Gehen wir doch hinein”, schlug Brodie vor, “dann lernst du den Rest der Sippe kennen.”
Verlegen ließ Kendra es zu, dass er sie über die Terrasse geleitete. Am Rand stand ein Grill, in dem die Kohlen bereits zu glühen anfingen. Brodie schob die Terrassentür auf, und sie traten in eine große, luftige Küche.
Ein dunkelhaariger Junge von etwa zwölf Jahren stand am Tisch und formte Hackfleisch zu dicken Scheiben. Er blickte neugierig auf, als Kendra eintrat.
“Jack, dies ist Megans Mutter, Mrs Westmore.”
Jack lächelte. “Hallo. Ich kann Ihnen leider nicht die Hand geben.”
“Hallo, Jack”, erwiderte Kendra den Gruß und fragte sich, wer der Junge war.
“Das ist mein Jack”, beantwortete Brodie die unausgesprochene Frage. “Er ist heute mit dem Abendessen dran. Hast du genug für zwei Gäste, mein Sohn … wenn du die Burger ein wenig flacher machst?”
“Na klar, Dad.”
“Hayley …” Brodie deutete auf den Küchenschrank hinter sich “Würdest du deinem Bruder die Haferflocken reichen, damit er noch ein paar untermischen kann?”
Hayley lächelte Kendra an. Es war ein herzliches Lächeln, und doch schien sich dahinter etwas zu verbergen, das Kendra nicht verstand. “Sie bleiben? Es gibt nichts Besonderes und zum Nachtisch nur Eiscreme und Brownies.”
Kendra war völlig verwirrt. Nichts ergab einen Sinn. Sie blickte zu Hayley, die die Haferflocken aus dem Schrank nahm, und dann zu Jack, der die fertigen Burger wieder in die Schüssel warf …
“Erde an Westmore.” Brodie wedelte dicht vor ihrem Gesicht mit der Hand. “Bist du noch bei uns? Stimmt etwas nicht?”
“Es tut mir leid.” Kendra wurde rot. “Ich dachte …” Wie dumm sie gewesen war! Sie hatte völlig falsche Schlüsse gezogen. Sie sah Brodie verlegen an. “Ach,
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