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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Geräusche einer Folter.
    Er hatte keine Gelegenheit gehabt, seine Zelle im Licht der Laterne des Kerkermeisters zu betrachten, bevor man ihn unsanft hineingestoßen hatte. Also war er vorsichtig durchs Dunkel getappt, war zu dem Schluss gekommen,
dass sie eine Größe von etwa fünf Quadratmetern hatte, mit einem Toiletteneimer in einer der Ecken und einer Decke, die zu niedrig war, um aufrecht stehen zu können. Die Wachen hatten sich lediglich die Zeit genommen, ihn nach Waffen zu untersuchen – und Wertsachen vermutlich, auch wenn sie keine gefunden hatten. Und sie hatten sich nicht groß damit aufgehalten, ihm die Handfesseln abzunehmen, bevor sie ihn in die Zelle befördert hatten. Und so kauerte er nun gegenüber der Tür in einer Ecke, die gefesselten Handgelenke zwischen den Knien.
    Er dachte an den Weg, der ihn hierhergebracht hatte; er war seit Jahren vorausbestimmt durch seine Entscheidung, die ausländischen Diplomaten, die so ausdauernd seine Loyalität suchten, zu seinen eigenen Zwecken zu instrumentalisieren. Es war so logisch gewesen, sie mit Informationen von unterschiedlichstem Wahrheitsgehalt zu füttern, ihnen mitzuteilen, was andere gesagt oder offeriert hatten. Und fast noch logischer war es, sich diese Informationen auch bezahlen zu lassen. Dann war es nur noch ein kleiner Schritt gewesen, einen Mann in Oa dafür zu bezahlen, dass er Benedek János’s Korrespondenz kopierte, und ein weiterer kleiner Schritt, bis er ein Netzwerk aus Informationen beisammen hatte, das sich über jenen Teil Europas erstreckte, auf den die Osmanen Anspruch erhoben.
    Aber vor allem dachte er an Alcy – ihren Esprit, ihre Intensität, ihre Liebe und ihr Verlangen. Sie ließ sich nicht auf eine Abfolge von Ereignissen reduzieren, genau wie seine Liebe zu ihr sich nicht in ihre Bestandteile zerlegen ließ – im Gegensatz zu seiner Karriere als Spion.
    Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte. Nicht, dass noch irgendetwas eine Rolle gespielt hätte. Alles, was sein Leben
einst ausgemacht hatte, alles, was ihm je etwas bedeutet hatte, war so gut wie dahin. Er kauerte in der Dunkelheit, wartete auf den Anfang vom Ende und begriff, was für ein Narr er gewesen war – was für ein Feigling -, weil er das alles nicht schon früher beendet hatte, bevor es überhaupt so weit hatte kommen können. Am besten, er vergaß Severinor. Am besten, er vergaß auch Alcy: die süße, schöne, dickköpfige Alcy, die sicher fruchtlose Pläne schmiedete trotz des Versprechens, das er ihr abgerungen hatte. Hier war kein Platz für Erinnerungen an lichte Tage. Sie machten das, was geschehen würde, nur noch schlimmer.
    Und doch, selbst hier im Herzen der Finsternis, hallten ihre letzten gemeinsamen Tage und Nächte wider, und die Stunden, Minuten und Sekunden hüllten ihn ein wie Seide, schützten ihn vor den rauen feuchten Wänden. Er fiel in den Schlaf, dem er sich so lange verweigert hatte, und dort erwartete ihn schon die süße Erinnerung an ihr Geflüster in der Nacht.
     
    Alcy stand vor einer großen Doppeltür und zwang sich mit jeder Unze ihrer Willenskraft, nicht zu zittern. Sie war regelrecht krank vor Angst, aber sie würde nicht wanken. Nicht, solange Dumitru sie brauchte. Man hatte ihr ein formelles Dinnerkleid gegeben, im französischen Stil und aus einer strahlend grünen Seide, die ihr vage vertraut vorkam, bis ihr mit leisem Schrecken klar wurde, dass sie den Webstühlen ihres Vaters entstammte. Es handelte sich um einen der feinsten und teuersten Stoffe, den er herstellte, und die Entwicklung allein der Farbe hatte viele hundert Pfund verschlungen. Sie freute sich darüber, als handle es sich um ein geheimes Zeichen des Universums, trotzdem
fiel es ihr unendlich schwer, die Knie am Einknicken zu hindern.
    Alcy wusste, dass sie Grund zur Angst hatte – von ihrer Beziehung zu Dumitru einmal ganz abgesehen. Die Frauen oder Sklavinnen, die ihr beim Ankleiden behilflich gewesen waren, hatten darauf bestanden, dass sie einen Schleier trug, wie türkische Frauen es in der Öffentlichkeit zu tun pflegten, aber Alcy hatte sich strikt geweigert. »Ich bin Engländerin«, hatte sie immer wieder und wieder gesagt. Sie war eine Ausländerin, eine Außenseiterin – weder des Sultans Untertanin noch seine Gegnerin. Sie wusste, dass sie das betonen musste, sogar anhand ihrer Kleidung. Aber jetzt fragte sie sich, ob ihr Widerstand töricht gewesen war. Was, wenn sie ihn verärgerte oder beleidigte?
    Endlich schwangen die

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