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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Alcy avisiert hatte, »Monsieur François Roux. Der Ehrenwerte Mr. Robert Boyd. Sir Edward Cunningham.« Dann begann er, die Titel des Sultans aufzuzählen, während die westlichen Besucher sich dem Diwan näherten.
    Als er mit seiner Litanei am Ende war, verbeugten sich die Männer, die Damen knicksten, und man murmelte respektvolle Worte. Alcy könnte nicht hören, was gesagt wurde, aber die Gäste waren bald darauf entlassen und zogen sich in den Salon im Saal zurück.
    Lady Bunting rauschte wie ein Schiff unter vollen Segeln auf Alcy zu, eine großgewachsene Frau mittleren Alters. »Sie sind sicher die Gräfin«, sagte sie. »Was für eine schreckliche Reise müssen Sie hinter sich haben, meine Liebe!«
    Lady Bunting sprach mit dem beiläufigen, gedehnten Ton jener sozialen Schicht, die Alcy insgeheim »die sportliche Oberklasse« nannte, weil sie generell herzlich und jovial war, Pferde und Hunde züchtete und keine Fuchsjagd ausließ. Es war ein Schock, nach so langer Zeit wieder ein so typisches Englisch zu hören. Alcy war früher immer ein wenig zurückgeschreckt, wenn sie auf diese Weise begrüßt worden war, denn sie hatte absolut kein Interesse am
Landleben gehegt, doch jetzt wurden ihr vor Erleichterung fast die Knie weich.
    »Ja, das ist wohl wahr, Madame«, sagte Alcy und versuchte, die richtige Mischung aus Feinfühligkeit und stoischer Ruhe zu treffen. »Danke für Ihr Mitgefühl.«
    Die Frau lachte fröhlich, während sie mit beiden Händen Alcys Hand umfasste. » Madame bin ich nur für Matrosen und Dienstboten. Ich bin es eigentlich nicht gewohnt, mich selbst vorzustellen, aber weit entfernt vom konventionellen Leben der englischen Gesellschaft kommt man bisweilen in eine derart sonderbare Lage, nicht wahr? Ich bin Lady Bunting, und da wir uns nun offiziell bekannt gemacht haben, will ich Sie nun dem Rest der Gesellschaft vorstellen.«
    Bevor Alcy noch etwas erwidern konnte, hatte Lady Bunting sich auch schon bei ihr untergehakt und geleitete sie zu dem Mann, den der Herold als den Admiral vorgestellt hatte – ein stämmiger Mann in Uniform und mit grauem Bart.
    »Gräfin Severinor, darf ich Ihnen meinen Ehemann vorstellen, Admiral Lord Bunting?«, sagte Lady Bunting, als der ergraute Herr sich steif verbeugte – vermutlich litt er an Gicht oder einer leichten Arthritis.
    »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte sie und nickte in Anbetracht seines Alters und seines Ranges respektvoll. Falls er ein Romantiker war – und diese sportlichen Haudegen vom Militär waren das häufig -, gab er ein mögliches Ziel ab, auch wenn sein Rang ihn vermutlich zur Vorsicht neigen ließ. Es konnte zu internationalen Verwicklungen führen und berufliche Konsequenzen haben, wenn irgendetwas schieflief. Nicht die beste Wahl also.
    Lady Bunting stellte ihr den sonderbar gekleideten Mr.
Roux vor, der aussah, als habe er in beim Ankleiden die ausgefallensten Kleidungstücke kombiniert, welche die türkische Mode zu bieten hatte. »François Roux ist ein bekannter Dichter«, erklärte Lady Bunting, als würde das so ziemlich alles entschuldigen.
    »Ganz bezaubernd«, sagte der Mann mit schweren Lidern und sorgsam kultivierter Gelangweiltheit.
    Alcy antwortete mit einem Lächeln und ein paar gemurmelten Freundlichkeiten auf Französisch. Der nicht. Trotz der exzentrischen Kleider schien er eher ein zarter Künstlertyp zu sein als ein Abenteurer.
    Lady Bunting zog sie weiter. »Sir Edward Cunningham ist ein renommierter Archäologe und erst kürzlich aus dem Heiligen Land zurückgekehrt.«
    Der gut aussehende Mann verbeugte sich und begrüßte sie freundlich. Sein Gesicht war von der Sonne fremder Wüsten gebräunt, und sie bemerkte die dünne weiße Linie einer alten Narbe, deren Ende unter dem steifen hohen Kragen verschwand. Ein Abenteurer also, der keine Gefahr scheute. Sie taxierte seine Kleidung, und das Resultat ihrer Überlegungen fiel erfreulich aus: Er war reich, wenn auch nicht übermäßig, und auf sein Äußeres bedacht. Seine angenehmen braunen Augen betrachteten sie mit respektvollem Interesse, und er lächelte unter dem ordentlich pomadisierten Schnauzer. Sie erwiderte sein Lächeln mit einem Ausdruck, der sich – wie sie hoffte – als eine Mischung aus Freude über das Kennenlernen und entrücktem, noblem Kummer deuten ließ. Der Kummer war ohnehin echt und von erheblicher Panik durchdrungen, doch bei alldem abgehoben nobel zu wirken kostete einige Anstrengung. Was passierte in diesem

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