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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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vorbei. Nur dass die Wachen keinen Grund hatten, auf ihn zu schießen. Er konnte nirgendwohin, führte keine Waffe bei sich. Auf mehr als Prügel konnte er nicht hoffen, und sein Dasein würde noch früh genug von Schmerzen erfüllt sein. Es machte keinen Sinn, sie jetzt schon zu suchen.
    Also blieb er einfach wie angewurzelt auf dem Kopfsteinpflaster stehen, als sie ihm die Handschellen anlegten. Zwei der Wachen packten ihn an den Ellenbogen, der Rest schloss argwöhnisch die Reihen, und Dumitru ließ es zu, dass sie ihn auf einem anderen Weg fortbrachten – fort von Alcy.
    Als er ein Scharren hörte und die Wachen zögerlich stehen blieben, riskierte er einen Blick über die Schulter. Es war Alcy, die närrische Alcy, die sich etwa zehn Meter entfernt vergeblich gegen die Wachen stemmte, um zu ihm zu laufen, das Gesicht zu einer Miene verzogen, die ihm das Herz zerriss.
    »Dumitru! Ich … ich liebe dich!«, schrie sie über das leise Fluchen der Wachen hinweg.
    O Gott, Alcy. »Und ich liebe dich«, sagte er leise. »Für immer und ewig.« Dann wandte er sich ab, und man schob ihn den Weg entlang und durch ein Tor. Danach sah er sie nicht wieder.

    Alcy starrte Dumitru wie betäubt hinterher. »Ich dachte, wir würden ein wenig mehr Zeit haben. Nur ein klein wenig mehr«, flüsterte sie.
    »Sie haben gedacht, Sie hätten die Ewigkeit.«
    Alcy sah Aygul verblüfft an. Die großen Augen der Frau waren voller Mitgefühl.
    »Kommen Sie jetzt, meine Liebe«, sagte sie. »Sie können nichts dagegen tun. Ich werde nach Ihnen sehen und Ihnen beim Eintritt in den Harem helfen.«
    »Aber da werde ich doch nicht bleiben, oder?«, fragte Alcy mit bebender Stimme. Bis zu diesem Augenblick war ihr keines der möglichen Geschicke realistisch erschienen; zu phantastisch für eine einfache Engländerin und zu unbedeutend im Vergleich zu dem Verderben, das Dumitru drohte.
    Die Frau zuckte fatalistisch die Achseln. »Wer weiß? Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt denken – dass Sie die Konkubine des Sultans werden müssen. Das brauchen Sie nicht zu fürchten. Dazu sind Sie nicht geeignet, weil Sie verheiratet sind. Aber der Harem ist mehr als nur ein Ort für die Frauen des Sultans.«
    »Oh«, sagte Alcy betreten. Die Wachen hatten sie losgelassen, sobald sie aufgehört hatte, sich zu wehren. Jetzt führten sie sie durchaus freundlich wieder über den Weg zu einer kleinen Tür in einer hohen Mauer. »Was wird mit ihm passieren?«, fragte sie und reckte sich, um einen letzten Blick auf den Weg zu werfen, den Dumitru gegangen war.
    Die Frau gab einen mütterlich bedauernden Laut von sich. »Ach, meine Liebe, es gibt Dinge, von denen man besser nichts weiß.«

    Danach sagte Alcy kein Wort mehr.
    Die Wachen blieben vor der Tür stehen, und ein großer, schwammiger Mann mit einer Haut so schwarz wie die Nacht brachte Alcy und ihre Zofe hinein. Ein afrikanischer Eunuch, begriff Alcy verblüfft, als er mit weicher hoher Stimme sprach. Ein echter lebendiger Eunuch.
    Der Mann führte sie durch zig phantastische Räumlichkeiten. Zu jeder anderen Zeit hätte Alcy die raffinierten Muster und die feinen Steinmetzarbeiten bewundert, die alles schmückten, aber sie hatte momentan nicht einmal für die wundersamsten Dinge Sinn. Sie sah überall nur Frauen und gelegentlich einen anderen schwarzen Eunuchen. Viele der Frauen trugen westliche Kleidung, während die Dienerinnen und die Alten nach türkischer Mode gekleidet waren. Aber Alcy hatte weder Zeit noch Lust, stehen zu bleiben und sich alles anzusehen. Schließlich gelangten sie in ein Zimmer mit einem vergitterten Fenster und Blick aufs Meer. Dort ließ der Eunuch sie mit ihrer Zofe allein.
    »Welch eine Ehre!«, sagte Aygul und sah sich erfreut um. »Dieses Zimmer hat einst Sirri Hanim gehört, einer der Lieblingsfrauen des Sultans!«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Alcy.
    »Ich war hier früher Küchensklavin, bevor man mir die Freiheit geschenkt hat und ich heiraten durfte«, antwortete Aygul. »Jetzt bin ich verwitwet, aber es gibt für eine Frau keine ehrenhafte Möglichkeit, allein zu sein, deshalb habe ich darum gebeten, mit Ihnen gehen zu dürfen, als der Beylerbey befahl, dass eine der Dienstbotinnen Sie nach Konstantinopel begleiten solle. Die Familie meines Ehemannes lebt hier, und seine Schwester hat angeboten, mir einen neuen Ehemann zu suchen.«

    »Oh«, sagte Alcy. »Sie saß wie betäubt auf einem der Diwane. Die Tische im westlichen Stil betonten die Fremdartigkeit des

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