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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Ferne dahin und aus ihrer Sichtweite.
    Dumitrus Großvater war möglicherweise ebenso romantisch wie asketisch gewesen, ging es Alcy durch den Kopf. Die Szenerie hatte die irreale Brillanz eines italienischen Renaissance-Gemäldes. Der Himmel war zu lebhaft, die graugrünen Gipfel zu strahlend. Fast genauso unglaublich wie der Anblick war das Wissen, dass in gewisser Weise all das Land, das sie dort sah, aufgrund der Heirat auch ihr gehörte – zumindest hatten das Land und sie jetzt denselben Herren.

    Bei dem Gedanken an die Nacht und alles, was sie und Dumitru miteinander geteilt hatten, zitterte sie, obwohl ihr nicht sonderlich kalt war. Was hatte diese Nacht zu bedeuten? Alles? Nichts? Sie wusste es nicht – sie konnte es nicht wissen, bevor sie ihn nicht wiedergesehen hatte.
    Sie wusste nicht einmal, ob seine Abwesenheit sie enttäuschen oder freuen sollte. Er war die ganze Nacht über bei ihr gewesen, da war sie sicher – selbst wenn sie nicht in regelmäßigen Abständen erwacht wäre, weil das Gefühl, einen anderen Körper neben sich zu haben, ihr so fremd war. Dies war noch immer sein Schlafzimmer, und wenn er ihrer überdrüssig gewesen wäre, hätte er sie sicherlich fortgeschickt. Das hatte er aber nicht getan, und somit war sein zärtliches Verlangen mit der endgültigen Legalisierung ihrer Verbindung offensichtlich nicht verraucht.
    Doch sie wünschte sich mehr als halbherzig, mit ihm zusammen aufgestanden zu sein, um beim Frühstück mit ihm zu reden und ihm verbunden zu sein, bevor er seinen Pflichten als Landbesitzer nachging, wie immer sie aussehen mochten. So verlegen und nervös sie bei der Vorstellung war, ihn wiederzusehen, musste sie doch festigen, was zwischen ihnen war, und herausfinden, wie ihr neues Leben aussah und was man von ihr erwartete. Und natürlich wollte sie mit ihm sprechen, aus Gründen, die mit Vernunft nichts zu tun hatten – weil sie Bestätigung suchte und er ihr, so fremd er ihr war, doch jetzt schon fehlte.
    Sie schaute sich nach dem Klingelzug um, denn sie wollte nach Celeste läuten. Ihre Schenkel schmerzten, als sie sich erhob, und sie errötete, obwohl der Grund ihrer Verspannung gar nicht anwesend war.
    Nach einer Minute gab sie es auf. Es schien hier nichts
zu geben, womit sich ein Dienstbote herbeordern ließ. Die meisten ihrer Sachen lagen auf dem Boden verstreut im Salon, und sie wusste nicht, wer draußen vor der Schlafzimmertür wartete. Also zog sie das Unterkleid an und öffnete den monströsen Schrank, der an einer der Wände stand, um nach etwas zu suchen, das sie überziehen konnte, bevor sie sich hinauswagte.
    Sie durchsuchte den Schrank und ignorierte den Anflug von schlechtem Gewissen. Dumitru war schließlich ihr Ehemann. Es konnte nicht so schlimm sein, sich für kurze Zeit eines seiner Kleidungsstücke zu borgen.
    Sie fand einen alten, zerschlissenen Morgenmantel – doch sicher nicht der, den er normalerweise trug? – und zog ihn an. Sie war gerade dabei, den Schrank zu schließen, als die Zimmertür aufging und Celeste mit einem schwer beladenen Tablett den Raum betrat.
    »Ich habe abgewartet, bis ich vernahm, dass Madame sich regt«, sagte Celeste überaus förmlich.
    Madame , wo Alcy am Abend zuvor noch Mademoiselle gewesen war. »Danke, Celeste. Ich brauchte etwas Schlaf«, erwiderte Alcy mit ebensolcher Höflichkeit. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihre Zofe oder sich selbst vor Verlegenheit bewahren wollte. Wie auch immer, sie hatte jedenfalls keinen Erfolg damit. Celeste ging durch das Zimmer und hob mit der freien Hand Schuhe, Strümpfe und Korsett auf und blieb dabei so unbeteiligt, dass Alcys Gesicht wieder rot anlief.
    »Falls Madame in ihr eigenes Schlafgemach zurückkehren möchte, machen wir dort Toilette«, murmelte die Zofe und hielt die Augen gesenkt. Sie duckte sich aus dem Zimmer, bevor ihre Herrin noch antworten konnte. Sie flieht
förmlich, dachte Alcy, folgte ihr und war dankbar, dass die vielsagende Höflichkeit ihrer Zofe kurzzeitig in eine andere Richtung zielte.
    Zu ihrer eigenen Überraschung hätte Alcy gern Tante Rachel hier gehabt, so sehr ihr das Gejammer und ständige Gestichel ihrer Anstandsdame auf der Reise nach Wien auch missfallen hatten. Bevor die Schwester ihrer Mutter ihre Karriere als professionelle arme Verwandte aufgenommen hatte, war sie in den Ehestand getreten – unklugerweise, wie es hieß, und aus Liebe – und war innerhalb von zwei Jahren verwitwet und bankrott gewesen. Obwohl sich Tante

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