Nacht des Verfuehrers - Roman
es sich über. »Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich als Lady und Frau gescheitert bin.«
»Aber nein -«, protestierte Celeste automatisch, während ihre Augen die Wahrheit sagten.
»Aber ja«, bekräftigte Alcy. »Und da Sie ja nun meine Schwächen kennen, verstehen Sie vielleicht, warum ich
mich dazu durchgerungen habe, die Verfehlungen eines Mannes zu übergehen, der über eine Stunde lang mit mir gesprochen hat und hinterher interessierter war an mir als zuvor?«
»Oh«, sagte Celeste und schließlich hocherfreut: »Oh!« Dann setzte sie hinzu: »Dann wird er Sie lieben lernen. Ich weiß, das tut er bestimmt. Es ist mir egal, ob er ein Türke ist. Wenn er Sie liebt, vergebe ich ihm alles.«
Alcy lächelte gegen ihren Willen. »So hoch hinaus will ich noch gar nicht, aber seien Sie versichert, dass ich mit meiner Entscheidung zufrieden bin.« Und zu ihrer eigenen Überraschung hörte sich jedes Wort wahr an.
Dumitru begutachtete einen Kilometer vom Schloss entfernt den Fortschritt beim Bau einiger neuer Terrassen, als Mihas, der Sohn des Stallburschen, in einer lockeren Mischung aus fliegenden Armen und Beinen die Straße entlanggelaufen kam. Der Graf entdeckte den Jungen, als der noch ein gutes Stück entfernt war, und setzte die Besprechung mit den Arbeitern fort, während er sich im Hinterkopf fragte, welche Nachricht das Kind wohl brachte. Ob seine Frau irgendetwas brauchte? Hatte sie einen Unfall gehabt – oder war sie vielleicht doch noch davongelaufen?
Mihas war da, bevor er das plötzliche Durcheinander an Gefühlen sondieren konnte, und die Arbeiter unterbrachen ihr Gespräch, als der Junge schlitternd vor ihnen zum Stehen kam. Sein Gesicht war rot vor Anstrengung, und er keuchte seine Nachricht heraus.
»Petro Volynroskyj ist zurückgekehrt!«
Dumitru fing erleichtert an zu grinsen, und ihn überkam Freude. Von allen Nachrichten, die der Junge hatte bringen
können, war ihm dies die willkommenste, wenngleich er sie absolut nicht erwartet hatte. »Jetzt schon?«
»Ja!«, rief Mihas. »Bela und ich waren auf dem Festungswall und haben ihn über den Pass kommen sehen. Er wird jeden Augenblick am Tor sein!«
»Gut gemacht«, sagte Dumitru und wühlte zwischen den Maria-Theresia-Talern in seiner Börse, bis er eine Kupfermünze fand, die er dem Jungen gab. »Vor zweihundert Jahren hättest du mit deinen Adleraugen als Wachposten gutes Geld verdienen können. Lauf zurück und sag Herrn Volynroskyj, dass ich ihn in meinem Studierzimmer erwarte.«
Er dachte noch einmal nach. »Nein, lass es. Ich reite los und sehe selber nach ihm.« Er nickte den Arbeitern zu. »Ich komme gegen Abend noch einmal her.«
Er machte auf dem Absatz kehrt. Mit zwei Schritten war er an der Stelle, wo er Bey angebunden hatte, und schwang sich auf ihren Rücken. Auf dem Rückweg zum Schloss gestattete er der Stute einen leichten Trab und konnte kaum an sich halten, nicht in unwürdigen Galopp zu verfallen. Die Hauptstraße führte zur anderen Seite der Festung, weshalb er seinen Freund nicht sehen konnte, doch als er den Seiteneingang zum Sattelplatz passierte, reichte Petro Volynroskyj dem Stallburschen gerade die Zügel.
Volynroskyj grinste, als er Dumitru sah. Sein rotgoldenes Haar glänzte unter dem Straßenstaub im Sonnenlicht, und seine grauen Augen blitzten. Dumitru schwang sich vom Pferd und warf dem Stallburschen die Zügel zu. Er war mit drei Schritten bei seinem Freund und umarmte ihn herzlich auf osteuropäische Art – ein Brauch, den er in der christlichen Welt für allgemein üblich gehalten hatte, bis er
in Paris angekommen war, wo man diese höfliche Geste als archaische Barbarei abtat.
Was für ein Schock war Frankreich für sein zutiefst walachisches Denken und Handeln gewesen! Aus purer Selbstverteidigung hatte er sich den anderen Exilanten angeschlossen, den Ungarn und Polen, den Preußen und Serben. Auch wenn sie eine wild gemischte Truppe gewesen waren, hatten sie doch gemeinsam gehabt, in Frankreich Fremde zu sein. Und von all den Exilpatrioten war Volynroskyj ihm der liebste gewesen. Ursprünglich aus der Ukraine stammend, war Petro der jüngere Sohn eines unbedeutenden Bojaren. Er hatte sein gesamtes Geld zusammengekratzt und war nach Paris aufgebrochen, wo ihn der Charme, mit dem er reiche Witwen umgarnte, vor dem Schuldenturm bewahrt hatte. Außerdem hatte er eine clevere Methode entwickelt, um beim Siebzehnundvier zu gewinnen. Seine Geschicklichkeit in finanziellen Dingen hatte
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