Nacht des Verfuehrers - Roman
Dumitru dazu bewogen, ihn zu seinem Verwalter und Berater zu machen. Anfangs hatte Volynroskyj das aufregende Paris nicht verlassen wollen, doch sechs Monate, nachdem Dumitru Frankreich den Rücken gekehrt hatte, war der Ukrainer dann vor seiner Tür gestanden. Gewisse Umstände, darunter auch der gescheiterte Versuch, mit der Tochter eines Adeligen durchzubrennen, hatten Paris allzu ungastlich werden lassen.
»Volynroskyj, du alter Teufel«, rief Dumitru. »Wie hast du es so schnell wieder zurückgeschafft?«
Der Mann grinste breit. »Die Genfer Bankiers sind sehr effizient. Meine Geschäfte waren innerhalb eines Tages erledigt, und ich wusste, dass ich schneller wieder hier sein würde als jeder Brief. Abgesehen davon, hat mir dein grauer
Schädel gefehlt – und das französische Essen deines Kochs.«
»Grauer Schädel! Du hast mir mit dieser Scharade um die Herzogin doch höchstpersönlich jedes einzelne meiner weißen Haare beschert«, konterte Dumitru.
»Du warst schon lange vorher grau«, schnaubte Volynroskyj. »Es würde mich nicht überraschen, wenn du es für die Damen bleichtest. Die vermeintliche Weisheit wirkt anziehend – insbesondere, wenn unter dem weißen Haar ein so hübsches Gesicht steckt. Und da wir schon von den Damen sprechen, Severinor, wie gefällt dir deine neue Frau?« Er schenkte Dumitru das schiefe Lächeln, das die lang vergessene Leidenschaft so mancher reicher Witwe entflammt hatte.
»Du hältst dich ihr besser fern; das ist alles, was ich momentan dazu sagen möchte.« Dumitru sah sich auf dem Sattelplatz um, wo es seit seinem Erscheinen einem Dutzend Dienstboten gelungen war, etwas zu tun zu finden. »Komm mit ins Studierzimmer. Dann erzähle ich dir mehr.«
Sie betraten das Haupthaus und machten sich auf den Weg zu jenem Raum, der den Herrschern von Severinor seit vier Jahrhunderten als halb offizielles Amtszimmer diente. Ein dick gepolsterter, zerkratzter Stuhl stand hinter dem Schreibtisch. Dumitru zog ihn heraus, rückte ihn zu der hohen Sitzbank an der gegenüberliegenden Wand und lümmelte sich hinein.
»Und?«, fragte er, während sich Volynroskyj übertrieben steif auf die Kante der Bank setzte.
»Und was?« Volynroskyjs Gesicht war ausdruckslos, und er spielte den Unschuldigen.
Dumitru zog eine Grimasse. Volynroskyj hätte noch bei seiner eigenen Hinrichtung gescherzt. »Wie ist es in Genf gelaufen? Mach jetzt keine Witze – unser beider Zukunft hängt davon ab.«
Volynroskyj ließ die Possen bleiben und grinste ein letztes Mal schief. »Die Mitgift war deponiert, wie ich es arrangiert hatte. Sie ist als treuhänderische Lebensversicherung auf deinen Namen deklariert, unter der Bedingung, dass du Miss Carter heiratest. Falls du deine Frau überleben solltest, wird es zwischen dir und euren sämtlichen Kindern aufgeteilt, auszahlbar nach ihrem Tod. Falls ihr keine Kinder haben solltet, geht die eine Hälfte sofort nach ihrem Tod an die Familie Carter zurück und die andere Hälfte an dich.«
Eine Lebensversicherung. Dumitru keuchte vor Wut. Das hatte er befürchtet. Aus Sicht eines Vaters war dies eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme, aber es bedeutete auch, dass Dumitru das Geld nicht in sein Land investieren konnte. »Zu drei Prozent?«, fragte er.
»Ja, natürlich.« Volynroskyj zögerte. »Aber das ist nicht das einzige Problem. Die Summe beläuft sich auf lediglich einhunderttausend Pfund.«
Dumitru runzelte die Stirn. »Bist du sicher? Ich dachte, sie wäre zweihunderttausend wert. Dreitausend Pfund Zinsen sind keine große Summe, um einer Frau wie ihr den Lebensstandard zu bieten, den sie gewohnt ist. Ganz zu schweigen von anderen Ausgaben. Das Geld muss irgendwo sein – oder es wird später angewiesen.«
Volynroskyj zuckte hilflos die Achseln. »Wie es scheint, ist die Differenzsumme als Pflichtteil der Braut auf ein anderes Konto einbezahlt worden. Explizit und ausschließlich
auf ihren Namen, und zwar von einem Bevollmächtigten, den ihr Vater für sie engagiert hat. Und deine Frau hat Zugriff auf beides, auf den Pflichtteil und auch auf das Treuhandvermögen.«
Verdammt. »Volynroskyj, ich brauch dieses Geld«, sagte Dumitru angespannt. Selbst wenn er sich auf drei Prozent der vollen Zweihunderttausend beschränken musste, würde er klarkommen, aber mit der Hälfte … Das war schlichtweg nicht möglich.
»Ich weiß, alter Freund, ich weiß.« Volynroskyjs Stimme war sanft, doch er meinte es ernst, und seine Miene ließ ausnahmsweise nicht die
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