Nacht des Verfuehrers - Roman
Gesprächspartner einen halben Kontinent weit entfernt ist, aber eine intelligente Konversation hat das Potenzial, fruchtbar zu sein, in der Mathematik wie auch in anderen Disziplinen.«
»Nicht wenn dein Gegenüber nicht über einfache Geometrie hinausgekommen ist«, sagte er leichthin, obwohl er sich ihrem unerbittlichen Ernst nicht gewachsen fühlte.
Sie errötete und gab ihre Abwehrhaltung auf der Stelle auf. »Es tut mir leid, ich hatte nicht bedacht -«
»Ach, um Gottes willen, Alcyone«, unterbrach sie Dumitru und rollte vor Ärger fast die Augen. »Du verdirbst mir mit deiner Verlegenheit und deinen Entschuldigungen den ganzen Spaß, dich zu necken.«
»So«, sagte sie und blinzelte ihn kurz an. Sie lachte nervös. »Es tut mir leid. Ich bin nicht gut in Frivolitäten – ich
habe es eher mit dem zynischen Humor. Meine Mutter schreibt das meinem Ungestüm zu, aber ich schiebe es auf meine Erfahrung mit anderen Menschen, die meine Interessen für einen Affront gegen das Zartgefühl halten. Ich hatte kaum Gelegenheit zu anregenden Unterhaltungen, und schon gar nicht über ein solches Thema.«
Ihre Worte schmerzten ihn, doch er verbarg sein Gefühl hinter einer hochgezogenen Augenbraue und einer spaßhaften Antwort. »Du weißt, dass du dich gerade wieder entschuldigt hast – trotz allem, was ich gesagt habe.«
»Es tut -« Sie hielt inne, war einen Moment lang sprachlos. Dann flackerte die Erkenntnis über ihr Gesicht. »Oh, du! Du neckst mich nur wieder!« Sie kämpfte gegen ein Lächeln und verlor, schließlich brach sie mit einem erstickten Laut in Gelächter aus. »Was für ein grimmiges kleines Ding ich doch sein kann«, sagte sie, als ihr Ausbruch sich gelegt hatte. »Ich wusste absolut nicht, wie ich dir von meiner Arbeit erzählen sollte. Ich habe fast nie jemandem etwas davon gesagt, aber selbst wenn ich einen Monat darüber nachgedacht hätte, hätte mir kein schlechterer Weg einfallen können. Ich staune, dass du nicht sofort den Rückzug angetreten hast.«
»Wenn das deine schlechteste Vorstellung gewesen sein soll, dann schaffen wir das, denke ich«, sagte er trocken. Er hörte die Salontür aufgehen – das Mittagessen war da. Alcy wirkte entspannt und fast schon glücklich, also erlaubte er sich, das Thema zu wechseln. »Auch wenn du es nicht glauben wirst, ich bin nicht gekommen, um mit dir über Mathematik oder unsere Ehe zu reden, sondern um dich einzuladen, mit mir zu Mittag zu essen.«
»Ist es schon so spät?« Sie sah an ihrem tadellosen Gewand
hinunter. »Ich habe immer noch mein Vormittagskleid an, falls es dir nichts ausmacht -«
»Nicht das Geringste«, sagte Dumitru. Er zog sich, seit er aus Paris zurück war, nicht einmal mehr zum Abendessen um, von der Hochzeitsnacht einmal abgesehen. »Du wirst feststellen, dass wir es hier nicht mit Förmlichkeiten halten.«
»Dann stehe ich zu deiner Verfügung«, sagte sie und reichte ihm die Hand.
Er beugte sich mit selbstgefälliger Geste darüber und nutzte die Gelegenheit, um mit den Lippen über ihre Knöchel zu streifen und zu spüren, wie sie den Atem anhielt. Trotz der schockierenden Nachricht von heute Vormittag war er auf unerklärliche Weise zufrieden. Er hakte ihren Arm unter und geleitete sie in den angrenzenden Raum, wo das Geklirr des Tafelsilbers von den Essensvorbereitungen kündete.
Sie setzten sich, als die Suppe und der Braten serviert wurden. Auf dem kurzen Weg vom Schlafzimmer in den Salon war Alcy wieder steif und unsicher geworden. Sie aß mit einer so außerordentlichen Präzision, dass Dumitru förmlich hören konnte, wie sie sich ihre Benimmlektionen ins Gedächtnis rief.
Er versuchte, die Anspannung zu lösen, indem er sich räusperte. Sie hob die Augen, die gut einstudiert den Teller fixiert hatten. Ihre Wangen wiesen zarte rosarote Flecken auf, ihre Augen blitzten dunkel, und er begriff, dass sie nicht wegen des Gesprächs von vorhin verlegen war, sondern weil sie an das gestrige Abendessen denken musste.
Ihre fast unmerkliche Erregung ließ seinen Körper sofort reagieren. Ihm wurde warm, und ihm schossen plötzlich
Bilder durch den Kopf, zu schnell und zu unzusammenhängend, um sie einen Tagtraum zu nennen – sein Mund auf dem ihren, wie sie das Essen vom Tisch gestoßen hatten, wie er ihr diese weißen, rüschenbesetzten Röcke hochgeschoben hatte …
Er blinzelte und brach den Bann, seufzte. So erfreulich der Zeitvertreib auch gewesen war, er würde ihnen nicht dabei helfen, eine unbeschwerte
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