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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Beziehung aufzubauen. Jede andere Frau hätte er für das häusliche Leben begeistern können, aber Alcy nicht.
    Er räusperte sich angelegentlich, nahm einen Schluck Wein. »Hast du denn schon veröffentlicht?«, fragte er mit beiläufiger Neugier. »In einem dieser Journale, meine ich?«
    Alcyone reagierte überrascht und – zu Dumitrus insgeheimer Verblüffung – geschmeichelt auf die Frage. Das Rosa ihrer Wangen verdunkelte sich, sie lächelte, und ihre aufgeweckten Augen blitzten erfreut. »Ja, das habe ich in der Tat. Genauer gesagt, Alco Carter. Fünf Aufsätze in Mathematik und ein gutes Dutzend in Philosophie.« Sie setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. »Ich will gar nicht wissen, was die Herausgeber und meine Briefpartner sagen würden, wenn sie herausfänden, dass ich eine Frau bin – und kaum mehr als ein kleines Mädchen war, als ich meinen ersten Aufsatz zur Begutachtung eingeschickt habe.«
    Sie schien in Stimmung, seine Neugier zu befriedigen, also sagte er: »Warum beides, Mathematik und Philosophie?«
    Sie zuckte die Achseln, ihre kunstvollen Ärmel raschelten. »Warum denn nicht? Es ist erst ein paar Jahre her, seit sich Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie zu drei Disziplinen gespalten haben. Je weiter der Wissensstand
voranschreitet, desto unausweichlicher ist man zur Spezialisierung gezwungen. Auch wenn ich mich frage, ob diese Fragmentierung sich nicht als schädlich erweisen wird.«
    »Und warum?«, fragte Dumitru, den ihr Enthusiasmus unerwartet neugierig machte.
    »Zum einen, weil die Reinheit der Zahlenlehre die Logik und das rationale Denken fördert. Wenn sich die Mathematik gänzlich von den humanistischen Wissenschaften trennt, sehe ich eine schleichende Irrationalität voraus, die es einem streng geschulten Hirn unmöglich macht, sich auf die Thematik einzulassen. Und ohne scharfes Nachdenken muss die Philosophie zwangsläufig oberflächlich werden.« Sie sagte das mit einem solchen Nachdruck, dass es unmöglich war, nicht gefesselt zu sein.
    Also zog er skeptisch eine Augenbraue hoch. »Und was passiert ohne die Philosophie mit der Mathematik?«
    »Sie wird sinnlos«, sagte sie kurz und bündig.
    »Aber deine extrakomplexen Zahlen sind nicht sinnlos?«, provozierte er sie, weil er sich einfach nicht zurückhalten konnte.
    Alcyone schenkte ihm ein glückliches Lächeln. »Natürlich nicht! Sie haben absolut ihren Sinn, es ist nur so, dass bis jetzt noch keiner weiß, wozu sie gut sein sollen.«
    Seltsamerweise schien sie sich zu entspannen, wenn sie gefordert wurde – als bewege sie sich auf vertrautem, sicherem Terrain. Es war bizarr, faszinierend und eigenartig aufreizend, denn ihre Aufgewecktheit machte sie auf eine Art attraktiv, die Dumitru sich wie ein Voyeur fühlen ließ, da Alcy sich dessen nicht bewusst war. Er probierte einen anderen Ansatz aus, um zu sehen, welche Reaktion er ihr
damit entlocken würde. »Du scheinst der menschlichen Natur wenig zuzutrauen, wenn du so viel Wert auf Bildung legst.«
    »Die Ignoranz, die Erbärmlichkeit und die Dummheit des Großteils der Menschheit, die wir bis jetzt erlebt haben, tragen auch nicht gerade dazu bei, mein Vertrauen zu fördern«, erwiderte sie abgehackt, wobei ihr Ärger eher auf namenlose Vorfahren zielte als auf ihn. Ihre Augen tanzten im Widerspruch zu ihren Worten, und ihr ganzer Körper schien zu leuchten. »Aberglaube, Tradition und Gefühl bestimmen die Lebenswege der meisten Menschen. Das rationale Denken muss trainiert und kultiviert werden.«
    Dumitru lächelte bedächtig. »Ich könnte mir vorstellen, dass das einigen Philosophen gar nicht gefällt.«
    Sie sah ihn erstaunt an, dann kicherte sie. Sie kicherte tatsächlich, ein klimperndes mädchenhaftes Geräusch. »Ich habe meine Kritiker«, gab sie zu. »Aber ich habe auch begeisterte Anhänger.«
    Er lehnte sich im Stuhl zurück. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Du bist eine Frau mit radikalen Ansichten. Radikale Ansichten rufen häufig radikale Reaktionen hervor.«
    »Genau«, pflichtete sie ihm bei und erwiderte sein Lächeln auf eine Art, dass er sie auf der Stelle küssen wollte.
    Stattdessen ließ er zu, dass das Gespräch versiegte. Sie löffelten schweigend die Suppe und machten sich dann an den Braten. Dumitrus Phantasie malte aufreizende Bilder der letzten Nacht – denen sie heute Nacht sicher gerecht werden würden, und mehr als nur das -, während er so tat, als sei er mit dem Essen befasst. Was für eine erstaunliche,
sonderbare,

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