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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Ihr Geist belebte ihr Gesicht und ihren Körper, und Seele und Körper schienen irgendwie eins zu sein. Sie verströmte plötzlich eine sonderbare, brillante Harmonie, wo sonst Widersprüche und Gegensätze zu sein schienen.
    »Also«, fuhr sie fort, »komplexe Zahlen bekommst du, indem du eine imaginäre und eine natürliche Zahl zusammenrechnest.
Extrakomplexe Zahlen sind … wie Gruppen oder Trauben aus komplexen Zahlen, die miteinander in einer Weise interagieren, die gegen die Regeln verstößt, wie sie für natürliche und einfache komplexe Zahlen gelten.«
    »Was kann man damit anfangen?«, fragte Dumitru, der nichts verstand von ihrem plötzlichen Enthusiasmus, aber so fasziniert war, dass er es nicht ertragen hätte, wenn sie aufgehört hatte.
    »Wie bitte?« Sie sah ihn verblüfft an.
    »Mathematik wird normalerweise doch für etwas benutzt – um Brücken zu bauen oder die Flugbahn eines Pfeils zu beschreiben«, sagte er. »Was kann man mit extrakomplexen Zahlen anstellen?«
    Sie zwinkerte ihn an. »Offen gesagt, habe ich nicht die geringste Ahnung.« Sie hielt inne und schien sich zu sammeln. »Also, die Formeln und Regeln, an denen ich arbeite, beschreiben die Art und Weise, wie Zahlen interagieren. Aber ich weiß von noch keiner realen Situation, die man so hätte beschreiben können.« Sie fing plötzlich an zu strahlen und schien durch ihn hindurchzuschauen zu einer Stelle, die nur sie allein sehen konnte. »Jahrhundertelang ist die Mathematik den anderen Wissenschaften hinterhergelaufen oder war bestenfalls gleichauf, weil sie dazu benutzt wurde, Gesetzmäßigkeiten zu beweisen, die längst bekannt waren, oder ein Verhalten zu erklären, das sich irgendwie messen ließ. Aber in diesem Jahrhundert hat die Mathematik ein Abstraktionsniveau erreicht, das erstmals keiner objektiven Experimente bedarf. Doch wenn in späterer Zeit etwas entdeckt werden sollte, das fortschrittlicher Berechnungen bedarf, dann sind die Grundlagen bereits
vorhanden. Das ist allerdings ein anderes Betätigungsfeld. Ich kümmere mich um die Zahlen.« Sie starrte noch ein paar Sekunden lang ins Unendliche, dann blinzelte sie, kehrte in die Realität zurück und sah ihn verdrossen an. »Ich langweile dich, oder?«
    Dumitru konnte nicht anders und lächelte schief. Langweilig, wo sie einen Ausdruck von heiligem Wunder im Gesicht hatte? Ein Mann durfte sich glücklich schätzen, so etwas zu erleben. Er hätte das unweibliche Hobby missbilligen müssen – aus Angst, dass ihr Hirn sich überhitzen könnte oder womöglich ihre Eierstöcke Schaden nähmen oder dergleichen. Er hatte derartige Behauptungen immer für Unsinn gehalten, und sie hatte nie so in sich ruhend gewirkt wie gerade eben. Er konnte nicht glauben, dass dieses Hobby, so unorthodox es auch sein mochte, für jemanden wie sie ungesund sein sollte.
    »Nein«, sagte er. »Noch nicht, jedenfalls. Es hört sich ziemlich faszinierend an, auch wenn ich dich noch nicht ganz verstehe.« Er hielt einen Augenblick inne, weil sie ihn plötzlich mit ängstlichem Blick ansah. Sie schien die Tatsache, dass er jetzt um ihre Interessen wusste, sehr ernst zu nehmen – als hätte er ein großes, schändliches Geheimnis aufgedeckt. Sie musste ein Gefühl für die Verhältnismäßigkeit bekommen. Also witzelte er: »Als ich in Paris war, habe ich Frauen kennengelernt, die für ihre Klugheit berühmt waren, und die haben den ganzen Tag mit Klavierspielen oder feinen Nadelarbeiten verbracht und dazwischen geistreiche Bemerkungen fallen lassen.«
    »Du hast hier kein Klavier, und Handarbeiten beschäftigt nur die Hände, während der Verstand frei umherschweifen kann«, sagte Alcy und runzelte die Stirn, als
analysiere sie ernsthaft den Sinn der genannten Aktivitäten. »Handarbeit mag eine hübsche Beschäftigung sein, aber sobald man seine Gedanken geordnet hat, müssen sie Ausdruck finden, und dazu bedarf es eher der Feder und des Papiers als einer Sticknadel.«
    »Du hast mich missverstanden«, antwortete er geduldig. »Ich meinte, dass die Klugheit dieser Frauen mit deiner nicht vergleichbar war.«
    Alcyone wirkte einen Weile lang betreten, dann verschloss sich ihre Miene. »Nicht so abstrus? Nicht so unpassend?«, schlug sie vor.
    »Gesprächstauglicher«, korrigierte er. »Wenn auch von vergleichsweise wenig Substanz.«
    »Hm«, sagte sie unverbindlich, mit unergründlicher Miene und wenig überzeugtem Tonfall. »Ich gebe ja zu, dass ein Stück Papier sehr praktisch sein kann, wenn der

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