Nacht des Verfuehrers - Roman
ungewöhnliche Frau hatte er sich da eingefangen. Sie war am weiblichsten und lebendigsten, wenn sie unweibliche Themen verfolgte, am charmantesten, wenn sie über Dinge sprach, die ihr zu hoch hätten sein müssen. Sein Vater hätte die Stirn gerunzelt und sie getadelt, dann hätte er ihr die Bücher weggenommen und sie zu passenderen Tätigkeiten verdonnert. Sein Großvater hätte sich lautstark mit ihr gestritten, weil er Menschen, die seine Ansichten nicht teilten und es wagten, Zweifel zu äußern, nicht hatte ertragen können. Aber Dumitru war weder wie sein Vater noch wie sein Großvater, also bewertete er Alcyone im Geiste neu und schob sie vom klassischen Frauenbild an eine neue, gänzlich andere Stelle.
Er schüttelte die Überlegungen ab und brach das Schweigen. »Ich hätte da eine etwas weltlichere Frage. Wie hat dir dein erster Tag als Gräfin gefallen?«
»Ich muss zugeben, dass ich zu feige war, meine Nase vor die Tür dieser Suite zu stecken.« Alcy sah verlegen drein.
Dumitru konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Und das von einer Frau, die sich mit ergrauten Philosophen streitet? Schande, Alcy!«
Sie lachte, wie er es beabsichtigt hatte. »Aber ich spreche zumindest dieselbe Sprache wie diese Philosophen, und ich fühle mich bei esoterischen Streitgesprächen wohler als beim Führen eines Haushalts. Ich fühle mich wie ein römischer Gouverneur, den man am Vorabend des Falls in eine entlegene Provinz schickt und der nicht wissen kann, ob er willkommen ist.«
»Ich hatte nie gedacht, dass du die Führung des Haushalts übernehmen könntest, sonst hätte ich die entsprechenden Vorkehrungen getroffen«, gab er zu. »Dir wenigstens
einen Dolmetscher besorgt. Ich achte gar nicht auf dieses Dinge.«
Alcy schien plötzlich beunruhigt. »Ich wollte dir nicht unterstellen -« Er schnitt ihr das Wort ab, bevor sie sich ihren Gewissensbissen hingeben konnte. »Das ist keine Unterstellung. Das ist es doch, was Ehefrauen tun? Den Haushalt führen? In meiner Gedankenlosigkeit habe ich nicht dafür gesorgt, dass du deinen rechtmäßigen Platz einnehmen kannst. Morgen schicke ich dir den Pfarrer – sein Deutsch lässt zwar viel zu wünschen übrig, aber er spricht perfekt Griechisch. Er wird für dich alles übersetzen, was du den Dienstboten mitteilen möchtest.«
»Gut«, sagte sie, aber sie hörte sich alles andere als begeistert an.
»Gibt es irgendein Problem?«, fragte Dumitru.
»Wie? Nein, natürlich nicht«, sagte sie schnell. »Ich weiß saubere Zimmer und gutes Essen sehr zu schätzen.« Sie hielt inne. Die Aura des Unausgesprochenen war förmlich greifbar.
Gott bewahre diese Frau davor, je ein Geheimnis hüten zu müssen, dachte Dumitru. Alcy konnte unergründlich sein, doch wenn sie frei heraus reden konnte, verriet ihr Gesichtsausdruck sie sofort. Er vermochte sich nicht vorzustellen, wie sie mit seiner zweiten Tätigkeit umgehen würde, denn sein eigentliches Geschäft bestand aus Lügen, Intrigen und sorgsam gesponnenen Halbwahrheiten. »Was ist es dann?«, fragte er laut.
Sie schwieg eine ganze Weile, als wisse sie noch nicht, ob sie überhaupt antworten sollte. Doch schließlich sagte sie: »Ehrlich gesagt interessiert es mich nicht besonders, wie mein Zimmer geputzt und mein Essen gekocht wird. Aber
wenn du es so willst, beaufsichtige ich den Haushalt. Ich weiß, wie es geht. Dazu werden letztendlich alle Mädchen aus reichem Hause erzogen. Aber wenn auch ohne mein Zutun alles reibungslos funktioniert – nun, dann würde ich mich lieber nicht einmischen. Das Hausfrauendasein macht mir keinen sonderlichen Spaß. Ich ziehe es vor, wenn alles gut funktioniert, ohne dass ich mich groß darum kümmern muss.«
Er grinste. »Vor allem, weil deine mathematischen Formeln um so vieles faszinierender sind.«
Sie lächelte scheu.
»Nun, dann wüsste ich nicht, warum du dir derartige Pflichten aufladen solltest. Die alte Stana Bucãtaru ist eine mehr als kompetente Haushälterin, und alles, was sie nicht erledigen kann, regelt mein Verwalter Petro Volynroskyj. Aber den Haushalt einfach bleiben zu lassen löst nicht das Sprachproblem.«
»Natürlich nicht«, sagte Alcy bereitwillig. »Ich will die Sprache, die hier in der Gegend gesprochen wird, unbedingt lernen, Rumänisch oder was auch immer.«
»Walachisch«, berichtigte Dumitru. »Ich habe zwar ein Talent für Sprachen, aber ein guter Lehrer bin ich nicht. Doch unser Pfarrer, Vater Alesce, ist exzellent. Er war mein Lehrer, bevor ich
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