Nacht des Verfuehrers - Roman
wogenden hellen Rücken und rannten los. Ihr Gebell durchschnitt das Geraschel und die Gespräche der Männer. Es ging die Straße hinunter und dann nach Westen in ein Gehölz, durch das kein Pfad führte – jedenfalls keiner, den Dumitru in der Dunkelheit hätte erkennen können.
Wieder und wieder blieben die Hunde stehen, verteilten sich und schnüffelten. Wieder und wieder sammelten sie sich und liefen weiter, tiefer in die Wildnis hinein. Die Männer hielten ihre Fackeln hoch, doch außer Bäumen und Unterholz war nichts zu sehen. Und weiter ging es in die Finsternis.
»Vielleicht folgen sie einem Hasen«, sagte Volynroskyj nach einer Weile.
»Nein«, sagte Dumitru grimmig. »Sie muss die Straßen gemieden haben.«
»Was für einen Sinn sollte das haben?«, fragte Volynroskyj skeptisch.
»Sie weiß nicht, wie sie sonst ihre Spuren verwischen sollte«, erklärte Dumitru. »Mach dir keine Sorgen. Wir werden sie bald finden.«
»Ich bin nicht derjenige, der sich hier Sorgen macht«, antwortete der Verwalter, allerdings leise.
Dumitru war zu vorschnell gewesen. Die Hunde blieben wieder stehen, dieses Mal gleich mehrere Minuten lang. Der Hundeführer rief seine Befehle und wedelte mit der Decke. Er versuchte es sogar mit dem Unterrock, den Dumitru ihm gegeben hatte für den Fall, dass Alcy ihr Pferd eingebüßt hatte. Aber nach ein paar Minuten ging der Mann zu Dumitru, um mit ihm zu reden: »Die Hunde haben die Witterung an einem Fluss verloren, Graf Severinor«, sagte er. »Wir haben auf weite Strecken beide Flussufer abgesucht. Die Gräfin muss dort entlanggeritten sein. Bogdan wird ihre Spur finden, sobald es dämmert, aber wenn wir es jetzt versuchen, riskieren wir, die Spuren zu zerstören.«
»Gut«, sagte Dumitru, auch wenn ihm so nicht zu Mute war. Er hob die Stimme. »Steigt ab und versorgt eure Pferde. Wir übernachten hier.«
Innerhalb weniger Minuten hatten die Männer ein Lager aufgeschlagen und saßen um ein tanzendes Feuer. Dumitru hatte erwogen, auf das Feuer zu verzichten, aber selbst wenn Alcyone nahe genug war, um das Licht zu sehen, konnte sie doch nichts anderes tun, als sich langsam durch die Dunkelheit zu quälen oder reglos bis zum Morgen abzuwarten. Keines von beidem würde die Suche behindern.
Dumitru breitete seine Decke ein Stück von den Männern entfernt aus. Volynroskyj ignorierte sein finsteres Gesicht und machte sich neben ihm lang.
»Mit einem derartigen Abenteuer hast du wohl nicht gerechnet«, stichelte der Ukrainer fröhlich.
»Eher nicht«, sagte Dumitru und bemühte sich nicht, weniger kalt zu klingen.
»Willst du das jetzt auch wirklich durchziehen?«, fragte Volynroskyj ungerührt weiter.
»Absolut«, grollte Dumitru in die Dunkelheit.
»Ich meine ja nur, dass ich hierin keinen Vorteil erkennen kann.« Volynroskyjs Miene war verschlagen. »Ich komme mit Sicherheit nach Genf, bevor sie jemanden hinschicken kann. Außerdem besteht eine relativ gute Chance, dass der Bankdirektor ihr Ansinnen als nicht rechtens abtut. Du könntest dir ihr ganzes Vermögen sichern, und zwar lange genug, um damit nach Belieben zu verfahren. Du wärst eine schwierige Ehefrau los und nach ein paar Formalitäten frei, um dich neu zu verheiraten. So wie ich das sehe, wirst du dir mit dieser Jagd nichts als Peinlichkeiten einhandeln, ob du sie nun findest oder nicht. Eine Frau zu verlieren oder ihr nachzujagen – damit ist keine Ehre zu gewinnen. Ich hatte dir des häuslichen Friedens wegen geraten, dein Vorhaben, dir das Geld zu sichern, aufzugeben. Du hast dich geweigert, auch nur darüber nachzudenken. Jetzt rate ich dir: Gib sie auf.«
»Du hast natürlich Recht wie immer«, sagte Dumitru kurz angebunden. »Aber ich verfolge sie trotzdem.«
Volynroskyj murmelte einen Fluch. »Du bist ein liebestoller Narr.«
Dumitrus Lachen war hohl. »Gott behüte! Ich wäre tatsächlich des Teufels, wenn ich sie liebte.«
Volynroskyj fluchte noch einmal, dann wickelte er sich in seine Decke, drehte Dumitru den Rücken zu und tat so,
als schliefe er. Dumitru blieb mit seinen Gedanken und seinem verletzten Stolz allein. Es dauerte lange, bis der Schlaf ihn aus seinen wirren Überlegungen in einen noch wirreren Traum riss.
Alcy erwachte, weil Raisin schnaubte; sie fuhr auf und fühlte sich augenblicklich elend. Sie hatte zusammengekauert auf dem Boden gelegen, die Kante ihres Korsetts hatte sich in ihren Unterleib gebohrt, und ihre Gliedma ßen waren allesamt steif von der kalten Erde, die
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