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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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keine Notwendigkeit, denn wenn alles gut ging, würde sie ihn bald für immer los sein. Und falls nicht … Sie zuckte zusammen, als die Hajduken in ein besonders wüstes Gelächter ausbrachen. Wenn es nicht gut ging, dann würde sie über gar nichts je wieder nachdenken müssen.
    Sie ritten durch dichtes Gehölz. Wie lange schon? Alcy wusste es nicht zu sagen. In England oder Frankreich fanden sich an jeder wichtigen Wasserstraße in weitem Umkreis Dörfer und Gehöfte. Aber hier gab es nur Wildnis. Langsam ging der Wald in Weideland über und schließlich in Ackerland, das ein kleines ärmliches Dorf umschloss.
    Irgendetwas an diesem Dorf erschien ihren englischen Augen verkehrt, und als sie näher kamen, begriff sie auch, was. Es gab insgesamt nicht mehr als ein Dutzend Gebäude, aber jedes war auf seine heruntergekommene Art einzigartig. Man hatte Zimmer an Zimmer gebaut, in schiefen Winkeln und mit Anbauten, die sich windschief an andere Anbauten lehnten. Jedes Teil sackte halb über den anderen, sodass die verschiedenen Bauteile der Gebäude nicht wirklich »standen«, sondern wie im Fallen begriffen übereinander verharrten. Die Gebäude bildeten ein verzogenes Rund, in dessen Mitte sich ein freier Platz aus festgetrampelter Erde sowie mehrere große Schweinepferche befanden. Fenster schien es keine zu geben, dafür jede Menge Türen, die in alle Richtungen blickten und sich mit neugierigen
Gesichtern füllten, als die Hajduken auf den Platz geritten kamen und anhielten.
    »Absteigen«, befahl der Mann mit der Fellmütze.
    Obwohl seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, schwang Dumitru ein Bein über den Pferderücken, ließ sich einfach zu Boden gleiten und kam ohne das kleinste Stolpern zum Stehen. Alcy schwang gleichfalls das Bein herüber, blieb jedoch sitzen und rutschte unsicher auf dem Sattelrand herum. Sie wusste, wenn sie es Dumitru gleichzutun versuchte, würde sie bäuchlings im Dreck landen.
    Der Anführer lachte und kam zu ihr, packte sie um die Taille und hob sie herunter. Bevor er sie wieder losließ, pflanzte er ihr einen dreisten Kuss auf den Mund.
    Alcy wich in dem Moment, als sein Mund auf sie zukam, zurück. Sie biss wütend die Zähne zusammen und starrte den Hajduken finster an, während ihr Herz vor Angst und Entsetzen raste. Er lachte nur und machte eine Bemerkung, die seine grinsenden Kameraden zum Lachen brachte. Alcy wollte sich den Mund abwischen, doch mit gefesselten Händen konnte sie nur abweisend das Kinn recken – wie eine Lady, die im Hyde Park einem unliebsamen Verehrer eine Abfuhr erteilt, nicht wie das halb ertränkte, zitternde, verängstigte Wrack von einer Frau. Sie riskierte einen Blick zu Dumitru, der den Räuberhauptmann hasserfüllt anstarrte.
    Genau in diesem Moment steckte eine Frau, die ganz nach einer Matriarchin aussah, den Kopf zu einer der Türen heraus und sagte etwas Bissiges zu den Hajduken, deren Gelächter daraufhin einem betretenen Schweigen wich. Auf Befehl ihres Anführers machten sich – bis auf zwei – schließlich alle daran, Dumitrus Satteltaschen auszuräumen.
Die anderen beiden kümmerten sich um Alcy und Dumitru und schoben sie in Richtung Tür, unter der die gestrenge Frau stand. Alcy war sich deutlich des Münzbeutels an ihrer Hüfte bewusst. Sie war plötzlich froh, dass sie so umsichtig gewesen war und gestern bei einer Rast die Hälfte des Geldes umgepackt hatte.
    Dumitrus Magen krampfte sich nervös zusammen. Er zog an den Fesseln an seinen Handgelenken, bis die Haut wund war und seine Schultern schmerzten, aber er wollte nicht aufgeben. Hilflos. Er war völlig hilflos. Alcyone – der Himmel verfluche sie – marschierte bleich und entschlossen neben ihm her, den Kopf stolz erhoben und eine weiße Zornesfalte um den Mund. Wenn er sie ansah, wich sie seinem Blick aus und reckte das Kinn. Sie hielt die Hajduken für ein Mittel, ihn loszuwerden, und vielleicht waren sie das ja auch. Für ihn stand weit mehr auf dem Spiel. Sie wussten nicht, wer er war, aber Volynroskyj würde sehr wohl wissen, wer »Gavril Popescu« war, und nach ein paar unangenehmen Tagen ein angemessenes Lösegeld schicken. Dumitru war nicht gewillt, Alcy aufzugeben, nicht nachdem er ihr so weit nachgeritten war, nicht nach der Erkenntnis vom heutigen Tage. Doch wenn er darauf bestand, sie mitzunehmen, würde sie seinen Schwindel auf der Stelle auffliegen lassen. Und dann konnte alles passieren. Es war besser, fürs Erste zu schweigen und seine Männer

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