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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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zwingen, da er hoffte, von meinem Vater die entsprechende Mitgift zu erhalten.« Ihre Miene wechselte von entrüsteter Sittsamkeit zu Demut. »Ich habe versucht zu fliehen, aber er hat mich erneut eingefangen. Ich habe Gott um Hilfe angefleht, und da sind Ihre Männer erschienen und haben mich gerettet. Ich weiß, dass mein Vater sich überaus dankbar und großzügig zeigen wird, wenn Sie mir helfen, diesem Monster zu entfliehen und sicher nach Hause zurückzukehren.«
    Sie war brillant. Dumitru hätte am liebsten gelacht. Sie rief nach Gott, mimte die folgsame Tochter, machte aus den Hajduken Helden, versprach eine Belohnung und
drohte damit, dass es nichts geben würde, falls ihr etwas zustieße. Hätte er nicht fürchten müssen, zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, er hätte applaudiert.
    »Und du hast nichts zu sagen?«, wandte sich der Knez an Dumitru.
    Der zuckte die Achseln, obwohl seine schmerzenden Schultern protestierten. Er hielt seine Antwort am besten kurz. »Wer würde mir glauben, wenn ich widerspräche? Ich bin Gavril Popescu, und mein Herr wird Lösegeld für mich bezahlen.«
    Der Hajduken-Anführer räusperte sich und wiederholte die Geschichte der Gefangennahme in allen Einzelheiten; außerdem berichtete er von Alcys Selbstverstümmelung, als sie sich in einem Akt der Verzweiflung das Haar abgeschnitten hatte, um ihre Tugend vor Dumitrus lüsternen Absichten zu retten. Die Männer und Frauen im Raum hörten fasziniert zu, und Dumitru hätte fast bitter gelächelt. Es gab wenige Dinge, welche die Serben so liebten, wie mitreißende Geschichten von Tugend, Opferbereitschaft und Heldenmut. Das aufgeregte Geschnatter, das auf die Geschichte folgte, sagte ihm, dass zumindest Alcy in Sicherheit war.
    »Wer ist dein Oberherr?«, tönte ein kultiviertes Deutsch über das Gebrabbel, und die Anwesenden verfielen in Schweigen.
    Dumitru sah den aufgeschossenen Revolutionär an, der ihm die Frage gestellt hatte. »Der Graf von Severinor.« Obwohl er nicht sicher war, wie man einen Mann aus Severinor aufnehmen würde, konnte er keine andere Antwort geben, denn niemand sonst hätte jemanden seines Namens ausgelöst.

    Der kleinere Gentleman studierte Dumitru stirnrunzelnd und verschaffte sich mit einem Räuspern die Aufmerksamkeit seiner Begleiter. Die drei Herren drehten sich um, um mit dem Knez zu reden, während die Bauern fasziniert zusahen. Dumitru fühlte sich krank. Sie wussten es. Sie mussten es wissen …
    Der Knez sah ihn finster an. »Diese Männer scheinen zu meinen, dass du der Graf höchstpersönlich bist. Aber ich kann nicht glauben, dass einem gerissenen Spion wie dem Grafen ein Fehler von solchen Ausmaßen unterlaufen würde …« Er besah sich Dumitru näher, seine Augen flackerten zwischen Haaren und Gesicht hin und her. »Aber ich denke, sie haben Recht.« Seine Miene verfinsterte sich angewidert. Dumitru wollte widersprechen, doch es hatte keinen Sinn. Sein Äußeres war unverkennbar. »Ich will nichts mit dir zu tun haben. Falls Prinz Obrenovi herausbekommt, dass du hier warst, kostet mich das den Kopf, selbst wenn ich ihm den deinen präsentiere.«
    »Wir wollen ihn«, verkündete der große Revolutionär.
    »Dann nehmt ihn, aber nur, wenn ihr keinem sagt, dass er hier gewesen ist«, erwiderte der Knez. »Ich will, dass er verschwindet, und zwar schnell.«
    »Er gehört uns«, grollte der Hajduken-Anführer, die Hand an der Pistole, die er am Gürtel trug. »Wenn er ein Graf ist, fällt das Lösegeld umso höher aus.«
    »Du würdest das Lösegeld, das ein Zwist mit ihm einbringt, nicht haben wollen«, konterte der Knez.
    »Einen fairen Preis, wir wollen einen fairen Preis«, insistierte der Anführer.
    Die Gentlemen besprachen sich erneut, dann sagte der größte von ihnen: »Wir werden euch ein Stück weit eskortieren,
und unsere Brüder bringen euch dann das Lösegeld.«
    »Und was ist mit mir?«, fragte Alcy ängstlich.
    Der große Gentleman zuckte die Achseln. »Sie müssen auch mitkommen. Sie gehören zu dieser Geschichte mit dazu.«
    Alcy sah aus, als wolle sie protestieren, aber sie hielt sich zurück. Dumitru hatte keine Lust zu streiten. Er hätte vor lauter Frustration am liebsten gelacht. Er war so kurz davor gewesen, mit seinem Versteckspiel durchzukommen, hatte jedoch das Pech gehabt, auf die einzigen Männer im Umkreis von achtzig Kilometern zu treffen, die ihn demaskieren konnten. Was immer diese Revolutionäre von ihm wollten, er würde es bald herausfinden, und er war sich

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