Nacht im Kerker
Fahrräder. Er mochte esnicht, wenn man ›Schrott‹ zu seinen Schätzen sagte. Für Onkel Titus waren das alles Wertstoffe.
Er und Tante Mathilda saßen auf der Veranda vor dem Haus und warteten bereits mit dem Essen auf Justus. »Tut mir leid, wir waren in der Stadt, und ich hab nicht auf die Uhr geguckt«, entschuldigte er sich. Tante Mathilda lächelte. »Na ja, zum Glück gibt es nichts, was kalt werden könnte. Setz dich und nimm dir ein Brot.« Onkel Titus stellte seine Teetasse ab. »Ach, aber bei mir hast du eben geschimpft, als ich nur fünf Minuten zu spät aus meinem Schuppen kam. Ich möchte auch noch mal zehn Jahre alt sein«, grinste er. Tante Mathilda schenkte ihm Tee nach. »Sei froh, dass du keine zehn mehr bist, denn sonst müsstest du gleich Zähne putzen und ins Bett.«
Hungrig biss Justus in sein Käsebrot. »Habt ihr das heute mit dem Juwelier mitbekommen?«, fragte er mit vollem Mund. Seine Tante nickte. »Natürlich. Die ganze Stadt spricht davon. Mitten am Tag haben sie Mister Pendelton ausgeraubt. Und dann wird auch nochKommissar Reynolds verdächtigt. Schreckliche Zeiten sind das. Ich bin nur froh, dass bei uns außer Schrott nichts zu holen ist.«
»Wertstoffe!«, berichtigte Onkel Titus. »Wertstoffe! Wann lernst du das endlich? Aber egal, ich gehe heute auch früh ins Bett, denn morgen wartet eine Menge Arbeit auf mich.«
»Am Sonntag?«, wunderte sich Justus.
»Ja, ich soll auf dem Polizeirevier die Zellen für die Untersuchungshäftlinge entrümpeln. Alte Pritschen, Stühle und so ein Zeug. Ab Montag wird dort alles neu gestrichen und renoviert. Der Stellvertreter von Kommissar Reynolds rief mich vorhin an.«
»Marvin Thompson?«, hakte Justus nach.
»Genau. Der will anscheinend für frischen Wind auf dem Revier sorgen. Ja, ja, so sind die jungen Leute. Er selbst ist morgen natürlich nicht dabei, denn Thompson will mit seiner ganzen Truppe eine Polizeiübung an der Küste abhalten.« Justus horchte auf. »Moment, was für eine Übung?«
»Ich habe es auch nicht ganz verstanden. Er hat gesagt, dass er den Saustall auf Vordermann bringen wird und am Strand einen Einsatz gegen mögliche Schmugglerbanden trainieren will.«
Justus knetete seine Unterlippe. »Ist ja interessant. Da fliegen Verbrecher mit Hubschraubern frei in der Gegend herum, und die Polizei macht Schmugglerspiele am Strand. Wirklich interessant.« Tante Mathilda kannte ihren Neffen und sah Justus mit ernster Miene an. »Sekunde mal! Was findest du daran schon wieder so interessant? Sag jetzt nur nicht, dass du und deine beiden Freunde etwas damit zu tun habt!« Justus grinste sie an. »Doch. Wir haben uns Spezialwerkzeug besorgt und wollen morgen den Kommissar aus dem Gefängnis befreien.« Tante Mathilda atmete erleichtert auf. »Da bin ich aber froh. Und ich dachte schon, ihr habt wieder Blödsinn im Kopf.«
Justus konnte nicht aufhören zu grinsen, denn sein Trick hatte wieder einmal funktioniert. Tante Mathilda merkte sofort, wenn Justus auch nur ein kleines bisschen flunkerte. Wenn er ihr aber offen und ehrlich die Wahrheit ins Gesicht sagte, hielt sie es grundsätzlich für einen Witz.
Lagebesprechung
Am nächsten Morgen wurde Justus durch das laute Knattern des alten Pick-ups von Onkel Titus geweckt. Müde blickte er aus dem Fenster seines Zimmers im ersten Stock und beobachtete, wie der rostige Transporter durch die Toreinfahrt verschwand. Plötzlich fiel ihm ein, dass er sich ja mit seinen beiden Freunden in der Kaffeekanne treffen wollte. Hastig rannte er ins Bad, putzte sich die Zähne und eilte wenig später die Holztreppe nach unten. Tante Mathilda stand in der Küche und rührte in einem großen Topf Teig. »Guten Morgen, Justus. Was habt ihr es heute am Sonntag alle nur so eilig? Dein Onkel ist schon ohne Kaffee zum Polizeirevier gefahren, und du hast dein T-Shirt verkehrt herum angezogen.« Jetzt erst bemerkte Justus das kleine Schildchen am Hals und zog sein Shirt richtig herum an. »Ich muss auch weg, Tante Mathilda.«
»Ja, ja, ich weiß«, lachte sie. »Ihr müsst den Kommissar befreien. Wenn ihr rechtzeitig zur Kaffeestunde mit ihm zurück seid, dann bekommt ihr warmen Kirschkuchen.« Tante Mathildas Kirschkuchen war berühmt in Rocky Beach.
Doch der Kuchen konnte Justus nicht aufhalten. So schnell er konnte, sprang er auf sein Rad und raste in Richtung Kaffeekanne.
Er war wieder einmal der Letzte, der eintraf. Peter und Bob saßen schon in dem alten Wassertank und untersuchten den
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