Nacht in Angst
Halbdunkel den Fahrstuhleingang, der in einem besonders tiefen Schatten lag. Dort verharrte er noch ein paar Sekunden, dann krallte er seine Finger in den Spalt der Schiebetür und zog sie mit aller Kraft auseinander. Er blickte in den schwarzen Schacht. Nur zwei Meter unter ihm war die Kabine stecken geblieben. Peter beugte sich etwas nach vorn, als sich mit eisernem Griff eine Hand auf seinen Mund legte. »Ich muss schon sagen, ihr Jungs habt ein erstaunliches Talent dafür, immer wieder in Schwierigkeiten zu geraten«, sagte Morton, nachdem Justus die Geschichte über seine abenteuerliche U-Boot-Fahrt erzählt hatte. »Nicht wahr? Ich weiß auch nicht, wie wir das immer wieder schaffen. Selbst wenn sich gerade keine Verbrecher in unserer Nähe aufhalten, gibt es Ärger. Beispielsweise bleibt der Fahrstuhl stecken.« Justus wurde ernster. »Obwohl ich mir gar nicht mehr sicher bin, ob hinter diesem Stromausfall nicht doch mehr steckt. Ich mache mir Sorgen.«
»Ich gestehe, dass auch mir die Situation einige unangenehme Überlegungen aufdrängt«, bekannte Morton. »Vielleicht sollten wir durch Eigeninitiative versuchen, unserem Gefängnis zu entkommen. Auch wenn die halbe Stunde noch nicht um ist.«
»Das ist ein sehr guter Vorschlag!« Justus sprang auf und bat Morton, Licht zu machen. Im Schein der kleinen Flamme streckte er sich zu dem Metallgitter. Doch der nicht gerade hochgewachsene Erste Detektiv konnte lediglich seine Finger zwischen die Stäbe stecken. »Wir sollten die Rollen tauschen. Sie sind größer.«
Nun machte Morton sich an dem Gitter zu schaffen, während Justus das Feuerzeug hielt. »Es ist verschraubt«, stellte der Chauffeur fest. »Offensichtlich hat man hier so sehr auf das funktionierende Notrufsystem vertraut, dass man einen Notausstieg für unnötig hielt.«
»Sie haben nicht zufällig einen Schraubenzieher dabei«, sagte Justus und lachte.
»Zufällig doch.«
»Wie bitte?«
Morton griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Taschenmesser hervor. »In meiner Jugend war ich Pfadfinder«, er zu tun, habe ich gelernt, dass es von Nutzen sein kann, ein Taschenmesser bei sich zu tragen.«
»Morton, Sie sind ein Genie!«, rief Justus begeistert. »Und Sie haben nun Gelegenheit, die gute Tat des Tages zu tun. Legen Sie los, Morton!«
»Sehr wohl, der Herr.« Er machte sich an die Arbeit. Die Schrauben waren bald gelöst. Nun ließ sich das Gitter abnehmen. Darunter kam, wie sie vermutet hatten, ein Gewirr aus Kabeln und Glühlampen zum Vorschein, die an einer Kunststoffplatte befestigt waren. »Hier dürfte es etwas schwieriger werden, wenn wir nichts beschädigen wollen.«
»Aua!« Justus ließ das Feuerzeug fallen. Es war so heiß geworden, dass er sich verbrannt hatte. »Wir haben ein Problem. Selbst wenn das Feuerzeug kalt bleiben würde, ist es bald leer. Ich möchte ungern gleich im Dunkeln dastehen.«
»Ohne Licht wird es mir kaum möglich sein, die Platte zu entfernen.«
»Na schön.« Der Erste Detektiv wartete einen Moment, bis sich ihre Lichtquelle abgekühlt hatte, dann ließ er die Flamme erneut aufleuchten. Morton begann, die Lampen auszuschrauben, die Kabel zu lösen und so nach und nach die Platte freizulegen. Es dauerte lange und sie mussten die Arbeit immer wieder unterbrechen, um dem Feuerzeug, Justus' Fingern und Mortons Armen eine Ruhepause zu gönnen. Gerade als Morton die letzten Kabel entfernt hatte, geschah das Unvermeidliche: Die Flamme wurde immer kleiner, bis sie nur noch als winziger blauer Punkt in der Dunkelheit schwebte. »Das war's dann wohl«, sagte der Erste Detektiv, woraufhin das Feuer ganz verlosch. »Jetzt müssen wir blind weitermachen. Schaffen Sie das, Morton?«
»Vielleicht nach einer kleinen Pause.« Der Chauffeur setzte sich »Uns drängt ja keiner«, scherzte Justus, um sein Unwohlsein zu überspielen. »Vielleicht könnten wir –« Er brach ab. »Was ist, Justus?«
»Pst! Hören Sie das? Da war ein Geräusch!« Ein leises Schaben und Quietschen erklang. Es kam von oben aus dem Fahrstuhlschacht. »Das ist wahrscheinlich unsere Rettungsmannschaft«, sagte Morton. »Da haben wir die Kabinenbeleuchtung wohl etwas zu früh demontiert. Dies dürfte der geeignete Zeitpunkt sein, sich bemerkbar zu machen.« Er holte tief Luft. »Nein, Morton!«, zischte Justus. »Noch nicht!«
»Warum denn nicht?«
»Ich … habe ein komisches Gefühl. Wir sollten abwarten, ob jemand nach uns ruft.« Sie schwiegen. Das Quietschen wiederholte sich,
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