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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Heckflossen«, sagte Abuelita. »Der ganze Malecon hat es beobachtet.«
    »Haben Sie zufällig auch gesehen, ob ein großer schwarzer Sargento aus dem Innenministerium das Gebäude betreten hat, nachdem ich weg war?«
    »Nein.«
    »Niemand, auf den diese Beschreibung paßt und der eine Machete oder einen Baseballschläger dabeihatte?« Er steckte fünf Dollar in die Krone zu Füßen der Heiligen Jungfrau.
    Abuelita seufzte und nahm das Geld heraus. »Ich weiß, wen Sie meinen. Der Mann, der die Abakua organisiert hat. Ich war wie immer an meinem Fenster, aber um ehrlich zu sein, schlafe ich manchmal im Stehen ein. Manchmal wird mein Körper alt.« Arkadi steckte das Geld wieder zurück. »Dann habe ich eine andere Frage. Ich brauche für die Polizei noch immer ein Foto von Sergej Pribluda, und ich suche nach engen Freunden, die eins besitzen könnten. Aber niemand scheint eins zu haben. Bei unserer ersten Begegnung haben Sie erwähnt, daß Sergej Pribluda ein Mann war, der seine sauren Gurken teilte. Gestern war ich auf einem Markt, auf dem Gemüse verkauft wurde, darunter auch Gurken, aber nicht wie die selbsteingelegten Gurken in Pribludas Kühlschrank. Denn Sie haben recht, es gibt nichts, was mit russischen sauren Gurken zu vergleichen wäre. Hatte er einen besonderen Besucher?«
    Abuelita spreizte ihre Hand wie einen Fächer und verbarg ein Grinsen. »Das hört sich schon anders an. Es gab eine Frau, eine Russin, die manchmal mit, manchmal ohne Korb kam.«
    »Können Sie sie beschreiben?«
    »Oh, eine fette kleine Taube. Sie kam immer donnerstags, manchmal allein, manchmal mit einem Mädchen.«
     
    Ofelia stieg die Leiter zu Hedy Infantes Zimmer hinauf, eine Plattform unter der Decke eines Rokkoko-Foyers. Der drei mal drei Meter große Dachboden beherbergte eine Pritsche, ein Regal mit Kleidern und Stretchhosen, einer elektrischen Birne und Kerzen, Kosmetika und Schuhen, ein Fenster mit Blick auf den Kronleuchter und den Marmorboden tief unten, darunter ein Eimer an einem Seil. Das Haus war von einem Zuckermagnaten mit Geschmack für das Seichte erbaut worden, und der weiße Stuck an der Decke vermittelte einem das Gefühl, den Wolken nahe zu sein. Hedys Inneneinrichtung war ähnlich phantasievoll. Sie hatte die Wand mit aus Zeitschriften ausgeschnittenen Fotos beklebt: eine selbstgemachte Tapete aus Los Van Van, Julio Iglesias und Gloria Estefan, die, in Stroboskoplicht getaucht, seelenvoll in ihre Mikrofone schluchzten oder die Hände zu ihren Fans ausstreckten. Auf das Bild einer Sängerin hatte sie ihr eigenes Gesicht geklebt, was Ofelia wieder an den wahren Zustand von Heyds Hals erinnerte. Dieser Dachboden war nicht die Art Zimmer, in die eine Prostituierte ihren Freier mitnehmen würde, es war ihr ganz privater Bereich.
    Diese Privatsphäre wurde durch die Spuren, die die Kriminaltechniker hinterlassen hatten, verletzt, das Plastikband, das man um ihre Kleider gewickelt hatte, das Fingerabdruckpulver auf dem Spiegel, das subtile Durcheinander, das entsteht, wenn nicht Frauen, sondern Männer Dinge wegräumen. Hedy hatte Hotelseifen, Besteck und Bierdeckel gesammelt. Um ein Foto von ihrer quince, der Feier zu ihrem fünfzehnten Geburtstag, hatte sie einen Rahmen aus Muscheln gebastelt; das Bild zeigte den Zuckergußkuchen, den das Geburtstagskind vom Staat bekam, dazu Bier und Rum. Auf einem anderen Foto trug Hedy blaue Rüschen und den Schal einer Anhängerin von Yemaya, der Göttin des Meeres, und an der Wand hing tatsächlich eine Statue der Jungfrau von Regla, die gleichzeitig Geist und Heilige war. In einer Zigarrenkiste hatte sie Schnappschüsse von diversen Touristen aufbewahrt, die ihr in Cafés auf der Plaza Vieja, Plaza de Armas oder Plaza de la Catedral mit Daiquiris oder mojitos zuprosteten. Hedys Lieblingsbilder schienen jedoch zwei Fotos von sich und Luna zu sein, die sie an ein herzförmiges Kissen gepinnt hatte. Was mochten die Kriminaltechniker wohl gedacht haben, als sie das tote Mädchen zusammen mit dem leitenden Beamten dieser Ermittlung gesehen hatten? Die Fotos waren offenbar an verschiedenen Tagen aufgenommen worden, wie man an der unterschiedlichen Kleidung erkennen konnte, jedoch beide vor einem Gebäude, auf dem in rostiger, fleckiger Schrift der Name Centro Russo-Cubano prangte. Auf der Rückseite des Kissens hing ein dritter Schnappschuß von Hedy, Luna und der kleinen jinetera Teresa auf dem Rücksitz eines weißen Chrysler Imperial. Doch weder um das Bett noch in der

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