Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
Teil wäre ich denn?« fragte Arkadi.
    »Security, für den Fall, daß die Mafia auftaucht, das hat George Ihnen doch gesagt.«
    »Darüber müßte ich nachdenken. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich ein so harter Bursche bin.«
    »Das ist schon okay«, meinte Walls. »Die Leute denken, Sie wären tough.«
    »Und mit einem entsprechenden Auftreten kann man es weit bringen«, sagte O’Brien. »Ich will Ihnen erzählen, warum das Capri mein Lieblingskasino ist. Die Mafia hatte einen Schauspieler angeheuert, der das Capri als ihr Strohmann führte, George Raft.
     
    Raft hatte so oft Gangster gespielt, daß die Leute glaubten, er sei einer gewesen. Er hielt sich selbst für einen. In der Nacht der Revolution begannen die Leute die Kasinos zu plündern. Daraufhin stellte George Raft sich persönlich vor den Eingang und sagte mit seiner Gangsterstimme: >Ich laß mir doch von ein paar wildgewordenen Schlägern nicht mein Kasino auseinandernehmen.< Und sie sind gegangen. Er hat sie verscheucht. Amerikas letzte Bastion.«
     
    19
     
    Die bodega war ein Lagerhaus mit dem düstersten Licht in ganz Havanna, und die Tatsache, daß die Schlangen kurz waren und Ofelia als Lastesel den Sack vietnamesischen Reis und eine Dose Öl zum Kochen nach Hause tragen würde, verbesserte die Laune ihrer Mutter kein bißchen.
    »Entweder kommst du spät nach Hause oder gar nicht. Wer ist dieser Mann?«
    »Er ist kein Mann«, sagte Ofelia.
    »Er ist kein Mann?« Ihre Mutter gab ihrer Verwunderung in einer Lautstärke Ausdruck, die offenbar möglichst viele Umstehende in ihr Gespräch einbeziehen sollte. »Jedenfalls kein Mann in dem Sinn.«
    »Wie die Musiker? Tolle Ehemänner. Wo ist der letzte jetzt noch gleich, massiert Schwedinnen in Key Largo?«
    »Gestern abend bin ich nach Hause gekommen. Alles ist in Ordnung.«
    »Alles ist wunderbar. Hier sitze ich mit dem größten fiktionalen Werk der Welt.« Sie schlug auf ihr Heft mit Lebensmittelkarten. »Was könnte besser sein? Ich wüßte zum Beispiel gern, warum du immer so spät nach Hause kommst.«
    »Es ist eine Polizeisache.«
    »Mit einem Russen! Hija, du weißt doch, daß das russische Boot längst aus dem Hafen ist! Wie hast du ihn überhaupt gefunden? Ich würde diesen gestrandeten Lothario ja gern mal sehen.«
    »Mama«, flehte Ofelia.
    »Oh, du trägst deine Uniform, es ist dir peinlich, mit mir gesehen zu werden. Ich kann den ganzen Tag Schlange stehen, damit du rumrennen und die Welt sicherer machen kannst für…« Sie deutete einen Bart an.
    »Wir sind gleich dran«, sagte Ofelia und heftete ihren Blick auf den Tresen.
    »Wir sind nirgendwo. Hier ist nirgendwo, hija. Erinnerst du dich noch an den Jungen, mit dem du zur Schule gegangen bist, der mit dem Aquarium?«
    Ofelia nickte mit zusammengepreßten Lippen. »Nichts als dreckiges Wasser und zwei Drachenfische, die sich nie bewegt haben. Guck dir mal die beiden Angestellten da an.« Hinter der Theke, auf der Listen lagen und eine Waage bereitstand, befanden sich zwei Frauen mit Oberlippenbärtchen, die so sehr aussahen wie diese beiden Drachenfische, daß es Ofelia schwerfiel, ein ernstes Gesicht zu machen. Im Dämmerlicht der bodega waren vier Theken verteilt, jede mit einer Tafel, die die Waren und Preise, die Ration pro Person oder Familie und den Verkaufstag verzeichnete. Die Spalte unter »Verkaufstag« war so häufig geändert und überschrieben worden, daß man sie kaum lesen konnte.
    »Nächste Woche gibt es Tomaten«, sagte Ofelia. »Das ist doch eine gute Nachricht.«
    Ihre Mutter stieß ein lautes Lachen aus. »Mein Gott, ich habe eine Idiotin großgezogen. Es wird keine Tomaten geben, kein Milchpulver, kein Mehl und vielleicht auch keine Bohnen und keinen Reis. Dies ist eine Falle für Schwachsinnige. Hija, ich weiß, du bist eine brillante Ermittlerin, aber Gott sei Dank hast du mich, um die Einkäufe zu erledigen.«
    Eine Frau hinter ihnen zischte: »Ich werde diese konterrevolutionäre Propaganda melden.«
    »Verpiß dich«, gab Ofelias Mutter zurück. »Ich habe am Playa Giron gekämpft. Und wo warst du? Wahrscheinlich hast du für die amerikanischen Bomber deine Titten geschwenkt, vorausgesetzt du hattest mal welche.«
    Ihre Mutter war großartig darin, Leute zum Schweigen zu bringen, Playa Giron war, was der Rest der Welt die Schweinebucht nannte. Seltsamerweise war sie tatsächlich in der Armee gewesen und hatte einen der Invasoren erschossen, obwohl sie heute behauptete, sie hätte ihn lieber dazu

Weitere Kostenlose Bücher