Nacht in Havanna
sie mithilft, ihre Familie zu ernähren, weißt du.«
»Ich weiß«, sagte Ofelia.
»Teresa hat Angst«, sagte die Blonde. »Sie ist zurück nach Hause aufs Land. Ich glaube nicht, daß sie in nächster Zeit hier auftauchen wird.«
»Hat sie Angst vor dem Sargento?« fragte Ofelia.
»Du hast ihn doch getroffen, was denkst du denn?« sagte Julia Roberts. »Ich meine, alles, was recht ist, aber was denkst du denn? Ich bin bloß mit ihm bekannt, aber Teresa und Hedy waren seine privaten Mädchen, verstehst du?«
Die Blonde musterte Ofelias Aufzug. »Bist du nicht ein bißchen alt für diese Arbeit? Wie alt bist du, vierundzwanzig, fünfundzwanzig?«
»Neunundzwanzig.«
»Nicht übel.«
»Ich versuche zu schlafen«, dröhnte eine tiefe Stimme aus dem Inneren des Bootes, und eine schwerfällige Gestalt schleppte sich die Treppe zum Unterdeck hinauf. Es mußte der Baron aus Alabama persönlich sein, dachte Ofelia. Er trug eine Houston-AstrosMütze, Shorts und ein Hawaiihemd, das seine sonnenverbrannte Wampe nur unzureichend verbarg. Er kühlte sie, indem er eine kalte Bierdose darauf hin- und herrollte. Er beugte sich über die beiden kubanischen Mädchen auf seinem Boot. »Plapperplapperplapperplapper-mein-Gott-was-ihr-Frauenplappern-könnt. Wow«, sagte er, als er Ofelia erblickte, »vielleicht ist der Talentwettbewerb doch noch nicht abgeschlossen.«
»Sie gehört zu mir«, sagte Arkadi. Er war bis zu dem Beiboot des Wasserflugzeugs und der Segelyacht, die direkt nebeneinander lagen, den Steg entlanggeschlendert. »Wir haben nur die Boote bewundert.«
Der Baron sah sich zwischen den Bierdosen auf seinem Deck um, bis er bemerkte, daß Arkadi die »Gavilan« meinte.
»Ja, das ist ein verdammter Klassiker. Ein echter Rumschmuggler, komplett mit allem, außer Einschußlöchern.«
Rumschmuggler? Das hörte sich gut an, das schmeckte nach Capone.
»Schnell?«
»Ich denke schon. Wir reden hier immer über einen V-12-Zylinder, vierhundert PS, sechzig Knoten, schneller als ein Torpedoboot. Nur daß man bei einem Holzboot den ganzen Tag mit Schleifen, Lackieren und Polieren beschäftigt ist.«
»Das ist allerdings ein Nachteil«, stimmte Arkadi ihm zu.
»Man hat gar keine Zeit mehr zum Angeln. Natürlich kümmern sie sich um die ganze Instandhaltung. Er kriegt eine Sonderbehandlung. Wo kommen Sie her?«
»Chicago.«
»Wirklich?« Das mußte der Baron erst einmal verdauen. »Angeln Sie?«
»Ich wünschte, ich könnte. Aber ich habe nicht genug Zeit.«
»Halten die Einheimischen Sie anderweitig beschäftigt?« Der Blick des Barons wanderte zu Ofelia zurück, die ihn ansah, als verstünde sie nichts. »Sehr.«
»Na ja, man kann nur fischen oder ficken, so sieht’s doch aus. Und das kann ich Ihnen sagen, das letzte, was ich mir wünsche, ist, daß das Embargo aufgehoben wird. Kuba ist billig, schön und dankbar. Wenn das Embargo passe ist, wird es in einem Jahr nur noch ein zweites Florida sein. Ich lebe von meiner Pension, verdammt noch mal, und davon könnte ich mir so was wie Susy hier bestimmt nicht leisten.« Er wies mit der freien Hand auf das Mädchen in der Hängematte, das wieder die Werbesendung verfolgte, in der jetzt ein neues Objekt angeboten wurde, eine Uhr in einem Kristallelefanten. Arkadi erinnerte sich an Rufos Liste mit den Namen und Telefonnummern. Susy und Daisy. Färbte das andere Mädchen seine Haare, um möglichst daisyhaft auszusehen? Arkadi sah, daß der Name auch Ofelia aufgefallen war. »Was meinen Sie mit >Sonderbehandlung«fragte er den Baron. »Der Besitzer des Bootes ist George Washington Walls. Deren Held. He, ich war zwanzig Jahre Feuerwehrmann, und ich kenne mich mit Helden aus. Helden halten einem Piloten keine Pistole an die Schläfe.«
»Sie sind nicht bloß ein…?« Arkadi zog ein wenig pikiert die Brauen hoch.
»Ein Rassist? Ich doch nicht.« Zum Beweis wies der Baron auf Ofelia und die jineteras.
»Und was für eine Sonderbehandlung zum Beispiel?«
»Zum Beispiel.« Jetzt kam der Baron richtig in Fahrt. Er hielt sich an einem Spanndraht fest und wies mit der freien Hand auf das Stromkabel des Nachbarboots. »Gucken Sie sich mal die Stromleitung an, die gestern extra für ihn gelegt wurde. Und danach schauen Sie sich mal meine an.« Wo das Stromkabel der »Alabama Baron« ins Wasser hing, konnte man die typisch improvisierte Isolierung in einer Plastiktüte erkennen, die noch schmutziger war als die anderen. »Soweit ich weiß, sind das ja ganz clevere Kerlchen
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