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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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war am frühen Morgen ausgegangen, und als sie in hautengen Jeans, weißem Stretchtop und einer großen Sonnenbrille mit weißem Rand, beladen mit Tüten voll Kaffee, Zucker und Orangen, zurückkam, erkannte er sie zuerst nicht wieder. Sie hatte eine blendende neue Aura, dachte er, wie ein Atomreaktor, dessen Kontrollstäbe durchgebrannt waren. Für ihn hatte sie ein mit einer Polospielerfigur besticktes Hemd, einen schmalkrempigen Strohhut und eine modische Sonnenbrille besorgt. »Wo hast du denn das her?«
    »In Playas del Este gibt es Dollarboutiquen. Ich habe das Geld von deinem Freund Pribluda genommen, ich denke, er hätte bestimmt nichts dagegen, wo?«
    Er hielt das Hemd hoch. »So was paßt überhaupt nicht zu mir.«
    »Du hast keine Wahl. Luna hat ein Foto von dir. Wir müssen dein Aussehen verändern für den Fall, daß er es verbreitet.«
    »Ich werde nie wie ein Kubaner aussehen.«
    »Nein, nicht wie ein Kubaner. Aber wenn die Leute einen Touristen mit dir verwechseln können, werden sie dich vielleicht auch für einen Touristen halten.«
    Die Wahrheit gestand sie nur sich selbst ein: Als sie mit soviel Geld durch die Boutiquen geschlendert war, hatte sie eine fast sündhafte Erregung verspürt. In ihrer Strohtasche hatte sie auch einen neuen Kamm und eine Bürste, die für ihre Verkleidung einfach notwendig gewesen waren. Und das Vergnügen, einen Mann einzukleiden, hatte sie zutiefst genossen.
    Sie faltete seinen Mantel zusammen und legte ihn über einen Stuhl. »Wir haben für zwei Nächte bezahlt, wir können deinen Mantel also fürs erste hierlassen.«
     
    Die Playas del Este waren eine überwältigende Einöde aus Sand, Meer und Häusern, die eher die sonnengebleichte Erinnerung an Farbe trugen als eigentliche Farbe. Ein Schild kündigte den bevorstehenden Bau eines französischen Hotels durch eine »sozialistisch-leninistische Arbeitsbrigade« an. Am Strand ragte ein bereits fertiggestellter Hotelklotz in die Höhe. Ofelia fuhr, und Arkadi entdeckte, daß in Ofelias DeSoto zu fahren, einem steinalten Ungetüm mit keilförmigen Heckflossen, ihn praktisch unsichtbar machte. Ein weißer Tourist mit einer attraktiven Kubanerin wurde sofort in eine bestimmte Kategorie eingeordnet und nicht weiter beachtet. Zum erstenmal fiel er nicht auf, weil es überall Paare wie ihn und Ofelia gab: ein großgewachsener Holländer mit einem beinahe zwergenhaften kleinen schwarzen Mädchen, die an einem Tisch unter einem einsamen Cinzano-Sonnenschirm saßen, der das hiesige Strandcafe darstellte, ein Mexikaner mit einer blonden jinetera, die die frische Luft in einer Fahrradrikscha genossen, ein pummeliger Engländer mit einem Mädchen, das in seinen neuen Plateauschuhen dahinstolperte. Ofelia konnte ihre Nationalität auf einen Blick erkennen. Arkadi fiel auf, daß zwar alle Pärchen Händchen hielten, sich jedoch nicht unterhielten. »Jeder hängt seinen eigenen Phantasien nach«, sagte Ofelia. »Er dem Traum, daß er seinem normalen Leben entfliehen und wie ein reicher Mann auf einer Insel wie dieser leben kann. Sie der Phantasie, daß er sich in sie verlieben und sie in die Welt mitnehmen wird, die sie für real hält. Es ist besser, daß sie nicht miteinander reden können.«
    Doch auch Ofelia genoß ihre Unsichtbarkeit. Mit dunkler Brille, Jeans und stolz gerecktem Kinn war sie das Abbild einer absolut glaubwürdigen jinetera mit einem Touristen, der vielleicht ein wenig attraktiver war als der Durchschnitt.
     
    Als er ein kubanisches Mädchen nahen sah, machte der Wachmann vor der Marina Hemingway Anstalten, aus seinem Verschlag zu kommen, verzog sich jedoch sofort wieder, als er sah, wie Arkadi sie um die Absperrung herumführte. Sie gingen zu dem Supermarkt und über eine Wiese zu dem Anlegesteg, an dem George Washington Walls ihn nach seinem Besuch beim Havana Yacht Club abgesetzt hatte. Offenbar war noch immer dasselbe lautstarke Volleyballspiel im Gange. Andere Amerikaner rannten mit Säcken voller Wäsche hin und her. Ein Junge in abgeschnittenen Jeans trug Bierkästen zu einer blauen Yacht von der Größe eines Eisbergs. Doch der Anblick der millionenschweren Luxusyachten, die in den drei Kanälen vor Anker lagen, ließ Ofelia in etwa so ungerührt wie Kleopatra eine Inspektion ihrer Barkassen. Vielleicht war sie schon wegen des kubanischen Mädchens nicht besonders beeindruckt, das sich in einer Hängematte räkelte, die an einem Mastbaum befestigt war. »Und was soll hier so gefährlich sein?« fragte

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