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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Macheten? Wie viele Bewohner dieser Stadt haben wohl eine?«
    »Jeder Kubaner hat eine Machete«, sagte Blas. »Ich selbst habe drei Stück im Kleiderschrank liegen.«
    »Ich besitze eine«, sagte die Kommissarin. Arkadi sah sich eines Besseren belehrt.
    »Und Sie können kein Licht in die Angelegenheit mit der Spritze bringen?« fragte Blas.
    »Nein.«
    »Sie müssen wissen, ich bin kein Criminalista, ich bin nicht bei der PNR, ich bin lediglich ein forensischer Pathologe, dem seine russischen Ausbilder vor langer Zeit beigebracht haben, analytisch zu denken. Ich glaube, so unterschiedlich sind wir gar nicht, deshalb werde ich Ihnen etwas zeigen, um Ihr Vertrauen in uns zu stärken. Vielleicht können Sie von uns sogar noch etwas lernen.«
    »Zum Beispiel?«
    Blas rieb sich die Hände wie ein Gastgeber, der sich auf das Besichtigungsprogramm freut, das er für seine Gäste vorbereitet hat. »Wir fangen dort an, wo Sie ins Spiel gekommen sind.«
     
    Die Leichenhalle hatte sechs ausziehbare Fächer, eine Kühltruhe und einen Kühlschrank mit Glastür. Bei allen waren die Griffe abgebrochen, und Kondenswasser tropfte an ihnen herunter. »Die Kühlschränke funktionieren noch«, sagte Blas. »Wir hatten einmal einen amerikanischen Piloten von der Invasion der Schweinebucht. Er ist beim Absturz seines Flugzeugs ums Leben gekommen, und die CIA hat neunzehn Jahre lang behauptet, sie habe noch nie von ihm gehört. Schließlich ist seine Familie gekommen und hat ihn abgeholt. Aber er war in gutem Zustand. Wir haben ihn immer >The Cigar< genannt.«
    Blas zog eine Schublade heraus. Drinnen lag die als Pribluda identifizierte, violette Leiche, neu arrangiert: Schädel, Kiefer und rechter Fuß lagen zwischen den Beinen, ein Beutel voller Organe befand sich dort, wo der Kopf hätte sein sollen. Die offen gelassene Bauchhöhle verströmte ein beißendes Aroma und ließ Arkadis Augen brennen. Die Leiche war im ganzen in eine Zinkwanne gelegt worden, damit das sich verflüssigende Gewebe nicht überschwappte. Arkadi zündete sich eine Zigarette an und atmete den Rauch tief ein. Was er bisher gesehen hatte, war Grund genug zum Rauchen und mehrte sein Vertrauen nicht im geringsten.
    »Unsere russischen Freunde hatten versprochen, uns ein neues Kühlsystem zu spenden. Sie verstehen sicherlich, wie wichtig in Havanna die Kühlung ist. Dann meinten sie auf einmal, wir müßten es kaufen.« Blas wandte den Kopf in diese und jene Richtung, um die Leiche genau zu betrachten. »Wissen Sie von irgendwelchen typischen Kennzeichen Pribludas, durch die er sich von dieser Leiche unterscheiden würde?«
    »Nein, aber ich glaube, nachdem sie eine Woche tot im Wasser gelegen haben und ihre Körperteile vertauscht worden sind, sehen die meisten Menschen gleich aus.«
    »Sargento Luna hat mich angewiesen, keine Biopsie durchzuführen. Da aber immer noch ich der Direktor dieses Instituts bin, habe ich es trotzdem getan. Gehirn und Organe weisen keinerlei Spuren von Drogen oder Toxinen auf. Dieser Nachweis ist jedoch nicht eindeutig, da die Leiche so lange im Wasser gelegen hat, doch dabei hat sich ein anderer Aspekt ergeben. Der Herzmuskel wies definitiv Spuren von Nekrose auf, was ein deutliches Anzeichen für einen Herzinfarkt ist.«
    »Ein Herzinfarkt, während er auf dem Wasser trieb?«
    »Ein Herzinfarkt nach einem Leben mit russischen Eß- und Trinkgewohnheiten, ein so schwerer Infarkt, daß er nicht einmal Zeit hatte zu zappeln, was erklärt, warum seine Angelausrüstung noch an Bord war. Wußten Sie, daß die Lebenserwartung in Rußland zwanzig Jahre geringer ist als in Kuba? Ich werde Ihnen Gewebeproben mitgeben. Sie können Sie jedem Arzt in Moskau zeigen, und er wird Ihnen das gleiche sagen.«
    »Haben Sie je zuvor einen neumätico gesehen, der an einem Herzinfarkt gestorben ist?«
    »Nein, in der Regel sind es angreifende Haie. Aber dies ist auch das erste Mal, daß ich von einem russischen neumätico gehört habe.«
    »Meinen Sie nicht, daß das eine Ermittlung wert wäre?«
    »Sie müssen unsere Lage verstehen. Wir haben keinen Tatort und keine Zeugen, was eine Ermittlung wenig erfolgversprechend und sehr teuer macht. Es hegt nicht einmal ein Verbrechen vor. Schlimmer noch, der Tote ist Russe, und seine Botschaft weigert sich, mit uns zu kooperieren. Sie sagen, niemand habe mit Pribluda zusammengearbeitet, keiner habe ihn gekannt, und er sei lediglich ein harmloser Beobachter der hiesigen Zuckerindustrie gewesen. Wenn wir die Botschaft

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