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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Pinero Triunfa en USSR! Gerahmte Bilder zeigten Truppen junger Männer in einheitlichen Jacketts auf dem Roten Platz, vor Big Ben und dem Eiffelturm. Arkadi drehte die Fotos um und notierte sich die Namen, die er auf der Rückseite entdeckte. Auch an die Wand neben dem Bett waren Namen und Nummern gekritzelt.
     
    Daysi 32-2007 Susy 30-4031 Vi. Aflt. 2300 Kid Choc. 5/1
    Vi. HYC 2200 Angola
     
    Das einzig Erhellende, was Arkadi der Liste entnehmen konnte, war die Vermutung, daß er der Besucher gewesen war, der um dreiundzwanzig Uhr mit der Aeroflot angekommen war, um elf Uhr nachts, offenbar wurde zu ähnlich später Stunde ein weiterer Besucher aus Angola erwartet. Jedenfalls bestand die Eiste aus einem Haufen von Telefonnummern, obwohl es in dem Zimmer weder ein Telefon noch eine Buchse gab. Arkadi erinnerte sich, daß Rufo ein Handy bei sich getragen hatte, obwohl er später bei der Leiche keines fand. Rufo war der Typ, der einem ohne Telefon unvollständig vorkam.
    An einem Haken hing ein eleganter elfenbeinfarbener Strohhut, dessen Stirnband mit den Initialen RPP und der Aufschrift »Made in Panama« bedruckt war. Er durchsuchte den Schreibtisch, tastete unter Kopfkissen und Matratze, ging die Videokassetten durch, bei denen es sich, den handgeschriebenen Etiketten nach zu urteilen, entweder um Boxvideos oder Pornos handelte. Die Minibar enthielt Tüten mit Nüssen, wie sie in Flugzeugen verteilt wurden, und mehrere Flaschen gesundes Mineralwasser. Arkadi entdeckte keinerlei Anzeichen für einen Besuch von Arcos oder Luna, kein Fingerabdruckpulver aus verbrannten Bananenschalen. Vor allem jedoch fand er keinen Hinweis darauf, warum Rufo versucht hatte, ihn zu töten. Dabei schien er den Angriff sorgfältig geplant zu haben. Der Jogginganzug erschien unter den Umständen ähnlich sinnvoll wie der Arbeitsanzug eines Anstreichers, und er spürte, daß die Kommissarin das gleiche gedacht hatte. Aber warum sollte sich jemand die Mühe machen, einen Mann zu ermorden, der in wenigen Stunden ohnehin von der Bildfläche verschwinden würde? Hatte Rufo etwas Bestimmtes gewollt, oder war in Havanna einfach die Jagdsaison auf Russen eröffnet? Als er aus dem Haus trat, ließ das erste Eicht der Dämmerung die stierkampfrote Inschrift »Gimnasio Atares« auf der abgeblätterten Wand neben der Wohnung aufschimmern. In einem am Straßenrand geparkten PNR-Wagen saß Kommissarin Osorio. Der Blick, mit dem sie ihn fixierte, war wütend genug, um ihn verlegen zu machen, bevor sie die Hand ausstreckte und sagte: »Der Schlüssel.«
    »Tut mir leid.« Arkadi kramte in seiner Tasche und gab ihr den Schlüssel zu seiner Moskauer Wohnung. Er konnte im Notfall einbrechen, wenn er nach Hause kam.
    »Steigen Sie ein«, sagte sie. »Ich würde Sie gern in eine Zelle sperren, aber Dr. Blas möchte mit Ihnen reden.«
     
    Mit seinem gestutzten Bärtchen und dem Hauch von Phenolseife, der ihn umgab, wirkte Dr. Blas wie der Pluto seiner persönlichen ureigenen Unterwelt, als er Arkadi erneut im Institute de la Medicina Legal begrüßte und die Fähigkeiten der Kommissarin pries.
    »Unsere Ofelia ist sehr intelligent. Wenn Hamlets Ofelia nur halb so schlau gewesen wäre, hätte er den Mord an seinem Vater, dem König, im Handumdrehen aufgeklärt. Aber dann hätte es natürlich auch kein großes Drama gegeben.« Zwei junge Frauen in enganliegenden IML-T-Shirts kamen den Flur entlang und fanden Wohlwollen in den Augen des Arztes. »Bis zur Revolution sind wir vom FBI in Washington und Quantico ausgebildet worden, dann von den Russen und Deutschen. Aber ich glaube, daß wir unseren eigenen Stil entwickelt haben. Ihr Problem ist es, Renko, daß Sie kein Vertrauen in uns haben. Das ist mir schon bei Ihrem ersten Besuch hier aufgefallen.«
    »Das ist es also?« fragte Arkadi.
    Er dachte, sein Problem bestünde darin, daß Rufo versucht hatte, ihn umzubringen, aber der Direktor sah das Ganze offenbar in größeren Zusammenhängen. Sie gingen an einer Vitrine mit Großporträts von zwei Männern mit schlaffem Mund und geschlossenen Augen vorbei.
    »Vermißte Personen und unidentifizierte Tote. Öffentlich ausgestellt.« Blas nahm den Faden wieder auf. »Wenn Sie an Kuba denken, denken Sie an die Karibischen Inseln, an Orte wie Haiti, ein Land wie Nicaragua. Wenn wir beispielsweise behaupten, wir haben eine Leiche als Russen identifiziert, fragen Sie sich, wie gut ist diese Identifikation, wie qualifiziert sind diese Leute, die mir erzählen wollen,

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