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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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daß ich diese Leiche so akzeptieren und mit nach Hause nehmen soll? Wenn Sie beobachten, wie eine Wasserleiche geborgen wird, so wie Hunde mit Knochen spielen, ziehen Sie die Sorgfalt der hiesigen Polizei in Zweifel. Deshalb haben Sie auch Rufos Schlüssel gestohlen und sind auf eigene Faust in seine Wohnung gegangen. Ich reise häufig zu internationalen Kongressen und treffe Menschen, die die gleichen Vorurteile haben. Deshalb möchte ich Ihnen ein wenig von mir erzählen. Ich habe einen medizinischen Abschluß von der Universität von Havanna mit dem Spezialgebiet Pathologie. Ich habe an den Instituten für Kriminalistik in Wolgograd, Leipzig und Berlin studiert. Im vergangenen Jahr habe ich auf Interpol-Konferenzen in Toronto und Mexico City Vorträge gehalten. Sie sind also nicht am Ende der Welt abgesetzt worden. Einige Feinde von Kuba wollen uns isolieren, aber wir sind nicht isoliert. Der internationale Aspekt des Verbrechens erlaubt es nicht, daß wir isoliert werden. Ich werde es nicht zulassen.«
    Sie kamen an einem Mann vorbei, der in Handschellen auf einem Stuhl saß. Als er aufblickte, sah Arkadi die alten Narben und frischen Blutergüsse in seinem Gesicht.
    »Er wartet auf seine psychologische Begutachtung«, erklärte Blas. »Wir haben weitere Spezialisten in forensischer Biologie, Dentalmedizin, Toxologie und Immunologie, auch wenn ein Russe das vielleicht nur schwer glauben kann. Jetzt sind wir die Lehrer in Afrika, Zentralamerika und Asien. Ofelia beispielsweise«, Blas wies mit dem Kopf auf die Kommissarin, die ihnen bescheiden gefolgt war, »hat in Vietnam gelehrt. Hier herrscht keine Ignoranz. Das werde ich nicht zulassen. Deswegen bin ich froh, berichten zu können, daß Havanna die niedrigste Rate ungeklärter Mordfälle von allen Hauptstädten der Welt hat. Wenn ich also eine Leiche identifiziere, dann ist es so, wie ich es sage. Doch Criminalista Osorio berichtet mir, daß Sie erneute Bedenken bezüglich der Identifikation von Oberst Pribluda haben.«
    »Das ist eine Reaktion auf den Angriff Rufos«, sagte sie. »Das hat meine Reaktion bestimmt beeinflußt«, gab Arkadi zu. »Oder die Entdeckung von Pribluda. Oder der Jetlag.«
    »Sie haben noch eine weitere Woche hier vor sich«, sagte Dr. Blas. »Sie werden sich akklimatisieren. Es war ziemlich unternehmungslustig von Ihnen, Rufos Wohnung aufzusuchen. Ofelia meinte, daß Sie das möglicherweise tun würden. Sie ist sehr intuitiv, glaube ich.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Arkadi.
    »Wenn Ihre Aussage wahr ist, hat Rufo sich während eines kurzen, heftigen Kampfes unabsichtlich selbst getötet?«
    »Eine Selbsttötung als Folge eines Unfalls.«
    »Unbedingt. Aber das beantwortet noch nicht die Frage, warum Rufo Sie angegriffen hat. Ich finde das sehr beunruhigend.«
    »Ganz unter uns, das finde ich auch.«
    Blas blieb an einem Treppenabsatz stehen, von unten stieg eine säuerliche Kühle auf wie der Geruch von saurer Milch. »Und die Vorgehensweise mit einem Messer und einer Spritze gleichzeitig erscheint mir nach wie vor äußerst seltsam. Hier wurde gestern eine Einbalsamierungsspritze gestohlen, obwohl ich nicht weiß, wann Rufo sie gestohlen haben sollte. Sie waren doch die ganze Zeit bei ihm, oder?«
    »Ich bin einmal zur Toilette gegangen. Da hätte er sie an sich nehmen können.«
    »Ja, da haben Sie recht. Nun, wahrscheinlich war es diese Spritze, obwohl ich nicht verstehe, warum ein Mörder eine Spritze benutzen sollte, wenn er schon eine bessere Waffe hatte.« Arkadi dachte darüber nach. »Hatte Rufo ein Vorstrafenregister, das auf eine Neigung zur Gewalttätigkeit schließen läßt?«
    »Ich kenne Capitán Arcos’ Ansicht in dieser Frage, aber ich will ehrlich sein. Es wäre wahrscheinlich zutreffender zu behaupten, daß Rufo ein Talent hatte, nicht erwischt zu werden. Er war ein jitinero, ein Schwarzhändler. Der Typ, der sich in der Nähe von Touristen aufhält und ihnen ein Mädchen oder Zigarren besorgt und ihr Geld wechselt. Angeblich sehr erfolgreich bei deutschen und schwedischen Frauen, Sekretärinnen auf Urlaub. Darf ich direkt sein?«
    »Bitte.«
    »Man sagt, er habe vor ausländischen Frauen damit geprahlt, empinga wie eine Lokomotive zu haben.«
    »Was ist empinga?« fragte Arkadi.
    »Nun, ich bin kein Psychiater, aber ein Mann mit ein empinga wie eine Lokomotive benutzt keine Spritze, um jemanden zu töten.«
    »Schon eher eine Machete«, ließ Kommissarin Osorio sich vernehmen.
    »Wo gibt es schon noch

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