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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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verschließen mußte, ansonsten eine neue topologische Erhebung an seinem Hinterkopf, ein leicht geschwollenes Nasenbein, eine Beule an der Stirn, ein bleibender Abdruck des Teppichs auf seiner Wange, Schluckbeschwerden, aber immerhin noch alle Zähne. Seine Beine fühlten sich an wie gebrochen, aber sie funktionierten noch. Luna hatte ziemlich gute Arbeit dabei geleistet, den Schaden auf ein paar Blutergüsse und Demütigungen zu begrenzen. Er humpelte zum Kleiderschrank im Schlafzimmer und stellte fest, daß die Taschen seines Mantels gewendet worden waren, sein Paß mit dem Foto des Havana Yacht Club jedoch noch in seinem Versteck in dem Schuh lag. Ihm war schwindlig und ein wenig übel, Symptome einer leichten Gehirnerschütterung.
    Schlammfarbene Blutflecken verunzierten den Teppich. Wie bei jeder Party war das Aufräumen das Schlimmste, dachte Arkadi. Er würde sich später darum kümmern. Eins nach dem anderen. In einer Schublade in der Küche fand er ein Anglermesser mit schmaler Klinge, die er sorgfältig schärfte. Auf den Sitz des Stuhles, mit dem er die Tür verbarrikadiert hatte, drapierte er eine Tüte mit leeren Konservendosen, eine Mischung aus Alarmsystem und Dummerjungenstreich. Er drehte alle Birnen im Wohnzimmer und im Flur heraus, damit Luna sich, sollte er zurückkehren, im Dunkeln zurechtfinden mußte, während er selbst vom hereinfallenden Licht konturiert werden würde. Das Fenster zum Luftschacht konnte Arkadi lediglich mit einem Stock verrammeln. Das Beste, was er für seinen Kopf tun konnte, war, sich hinzulegen. Und genau das hatte er vor, als er ohnmächtig wurde.
     
    Er fühlte sich kein bißchen erholt. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, denn das Zimmer war dunkel. Er hätte auch nicht gewußt, welches Zimmer, wenn er nicht die rauhen Fasern des Teppichs an seiner Wange gespürt hätte. Wie ein Betrunkener war er sich nicht vollkommen sicher, wo oben und unten war.
    Sein Körper hatte sich in der am wenigsten schmerzhaften Position zusammengerollt - alles war relativ - und ganz wie ein zusammengebrochener Stuhl offenbar nicht die Absicht, sich wieder zu erheben. Er tat es trotzdem, weil ein wenig Durchblutung lädierten Gliedmaßen wahrscheinlich guttat. Die Schildkröte trottete in Zeitlupe an ihm vorbei. Arkadi folgte ihr auf allen vieren zum Kühlschrank, nahm das Wasser heraus und verweilte einen Moment in dem weichen, unbedrohlichen Schein seiner Innenbeleuchtung.
    Rein objektiv war es interessant, wieviel schlechter er sich fühlte. Trinken tat weh. Seinen Kopf mit einem feuchten Tuch zu berühren, war eine Mischung aus Höllenqualen und Linderung.
    »Sei vorsichtig, was du dir wünschst«, hatte Irina immer gesagt. Und dabei natürlich sich selbst gemeint. Nachdem er sie verloren hatte, hatte er sich nur noch ein Ende seiner Schuldgefühle gewünscht, aber er hatte eigentlich nicht gemeint, zu Tode geprügelt zu werden. In Moskau wurde man zumindest allein gelassen, wenn man sich umbringen wollte, aber in Havanna hatte man keinen Moment Ruhe.
    Die Telefonschnur war aus der Wand gerissen. Arkadi hätte ohnehin nicht gewußt, wen er anrufen sollte. Die Botschaft, damit sie dem Ärger, den einer ihrer Landsleute verursachte, aus dem Weg gehen konnte?
    Die Dunkelheit war so still, daß er den Lichtstrahl des Leuchtturms, der über die Bucht schwenkte und die Fensterläden streifte, fast hören konnte.
    Verlassen Sie die Wohnung nicht, hatte Luna gesagt. Das hatte Arkadi nicht vor. Er legte seinen Kopf in den Kühlschrank und schlief ein.
     
    Als er wieder aufwachte, strömte Morgenlicht in die Wohnung. Arkadi hob seinen Kopf behutsam wie ein gesprungenes Ei. Die Fehlzündungen und Rufe auf dem Malecon klangen laut und heiß, wie von der Sonne verstärkt.
    Er stolperte durch den Flur zum Spiegel im Bad. Die Nase sah nicht besser aus, und seine Stirn hatte die dunkle Tönung einer Sturmwolke. Er ließ die Hosen herunter, um die Blutergüsse an seinen Beinen zu begutachten.
    Ruhe und viel Wasser, verordnete er sich. Er nahm eine Handvoll Aspirintabletten, wagte es jedoch nicht zu duschen, aus Angst auszurutschen oder die Wohnungstür nicht zu hören und aus Angst vor Schmerzen.
    Zwei Schritte, und ihm wurde schwindlig, doch er schaffte es bis ins Arbeitszimmer. Er hatte es auf allen vieren verlassen, als Luna begonnen hatte, seine Fertigkeiten im Umgang mit einem Baseballschläger zu demonstrieren, um den Sargento von der elenden Liste mit Rufos Telefonnummern wegzulocken.

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