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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Seltsamerweise lag die Liste noch dort, wo Arkadi sie zurückgelassen hatte, in dem spanisch-russischen Wörterbuch, was bedeutete, daß Luna entweder nicht wußte, wie man eine Wohnung durchsuchte, oder nur wegen des Fotos vom Havana Yacht Club gekommen war.
    Die jetzt im Überfluß zur Verfügung stehende Zeit würde ein echter Ermittler nutzen, um Spanisch und das Reparieren von Telefonen zu lernen, damit er es noch einmal bei Daysi und Susy versuchen konnte, dachte Arkadi. Statt dessen rutschte er, das Messer in der Hand, an der Wand hinunter, bis er auf dem Boden saß. Daß er eingeschlafen war, merkte er erst, als ihn eine laute Fehlzündung auf der Straße hochschrecken ließ.
    Nicht, daß er Angst gehabt hätte.
    Zwei junge, uniformierte Polizisten, ein Schwarzer und ein Weißer, patrouillierten auf der Mole. Obwohl sie Funkgeräte, Pistolen und Schlagstöcke bei sich trugen, hatte man ihnen offenbar vor allem erklärt, was sie nicht tun durften: nicht an die Mauer lehnen, keine Musik hören, nicht mit den Mädchen flirten. Obwohl sie das Haus nicht besonders zu beachten schienen, hielt Arkadi es für klüger, erst am Abend zu fliehen.
    Er säuberte den Teppich, weil der Anblick seines eigenen getrockneten Blutes ihn deprimierte. Von unten drangen jetzt die Töne einer antreibenden Salsa vermischt mit denen eines Schlagbohrers nach oben. Arkadi wußte nicht, ob er über einer Fabrik oder einer Wohnung hauste. Das Blut ließ sich nicht ganz vom Teppich entfernen; der verbleibende Rest sah aus wie eine pointillierte Rose.
    Derweil konnte Luna seinen Baseballschläger säubern, und Arkadi war sich sicher, daß die gesamte Mannschaft zu beeiden bereit war, daß er die ganze Zeit mit ihr auf dem Spielfeld verbracht hatte. Aus wie vielen Spielern bestand ein Baseballteam? Zehn, zwanzig? Mehr als genug Zeugen. Bugai würde keine Beschwerde einreichen. Und selbst wenn er den Mut aufbrachte, bei wem außer bei Arcos und Luna sollte er sich beschweren? Die einige Kommunikation, die zwischen der Botschaft und Luna zustande kommen konnte, war die Frage: »Arbeitet bei Ihnen ein Soschtschenko? Nein? Vielen Dank.«
    Zur Stärkung seiner Moral rasierte Arkadi sich, die Blutergüsse in seinem Gesicht sorgfältig umgehend, und versuchte, sein Haar über die Platzwunde an der Stirn zu kämmen. Als die Übelkeit nachließ, zog er eine saubere Hose und ein frisches Hemd an, um zumindest das ordentlich gekleidete Opfer eines Gewaltverbrechens abzugeben. Dann band er ein weiteres Messer an einen Besenstil, um ihn im Bedarfsfall als Speer zu benutzen, und trat, durch diese kleinen Fortschritte übermütig geworden, ans Fenster, um durch die Läden zu spähen.
    Etwa alle vierzig Minuten fuhr ein Streifenwagen der PNR vorbei. In der Zwischenzeit kämpften die Polizisten ihren eigenen Kampf gegen die Langeweile, rauchten verstohlen Zigaretten, starrten aufs Meer und bewunderten die vielen kubanischen Mädchen, die in Hot pants und Platteauschuhen vorbeischlenderten.
    Am späten Nachmittag erwachte Arkadi mit brennendem Durst und Kopfschmerzen, die durch den Lärm von unten noch verstärkt wurden. Er schluckte ein paar Aspirin und trank Wasser, während er Pribludas Sortiment an eingelegten Knoblauchzehen und Pilzen betrachtete. Doch im Moment war ihm einfach nicht nach Essen zumute, und als er sich vom Kühlschrank abwandte, fiel ihm auf, daß Changö verschwunden war.
    Wann? Während Lunas Lehrstunde über die Feinheiten des Baseballsports? Auf Veranlassung des Sargento oder aus eigenem freien Willen? Die fehlende Puppe erinnerte ihn daran, daß der Streifenwagen jede Minute vorbeikommen mußte und Luna überfällig war. Durch die Läden sah er zwei Mädchen in identischen, in allen Farben eines Pfauenschwanzes schillernden Leggings, die die PNR-Streife neckten.
    Es gab Urlaube, die sich endlos hinzogen, während andere wie im Flug vergingen, so daß einem nicht einmal Zeit blieb, sich um seinen Teint zu kümmern. Wenn mannsgroße Puppen begannen herumzuspazieren, wurde es auch für ihn Zeit zu gehen und sein Lager in der Botschaft aufzuschlagen, entschied Arkadi, egal, ob er dort willkommen war oder nicht. Oder auf dem Flughafen. Die Moskauer Flughäfen waren voll von Menschen, die nirgendwohin wollten.
    Arkadi zog seinen kostbaren Mantel über, steckte die Liste mit den Telefonnummern und das Foto in eine, Schlüssel und Messer in die andere Tasche und räumte den Stuhl mit der Dosentüte vor der Tür weg. Er hatte immer noch

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